Bei dem geradlinigen Neubau in Dornbirn wurde genau abgewogen,
welche Investitionen auf Dauer sinnvoll sind. Bei der Gebäudetechnik
wurden neueste Komponenten genial kombiniert.
Der Wohnkomfort ist hoch und der Betrieb
des Hauses CO2-neutral.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Darko Todorovic

Schon vor Jahren hatte sich der Bauherr das Vorkaufsrecht auf ein Grundstück am Fuß des Fallenbergs gesichert, das einer Erbengemeinschaft gehörte. Die Größe, deutlich weniger als tausend Quadratmeter, war damals für große Bauträger nicht interessant, als die Erben sich endlich zum Verkauf durchgerungen hatten, war das bereits anders. Dennoch entschloß sich der neue Eigentümer, selbst bauen zu lassen. Er ist Teilhaber einer Vorarlberger Firma, die Wärmepumpen in Kombination mit Solar-Hybridkollektoren vertreibt. Mit den Hybridkollektoren kann in zwei übereinander liegenden Schichten auf knappem Raum Brauchwasser erwärmt und zugleich Strom erzeugt werden. Gerade im Sommer wird mehr thermische Energie geerntet, als verbraucht werden kann – außer in Hotels, wo viel warmes Wasser benötigt wird – wohin mit dem Überschuss?

Nachverdichtung zwischen Einfamilienhäusern und alten Bauernhäusern: Kompakter Baukörper bei optimaler Ausnutzung des siebeneckigen Grundstücks.
Die CO₂-neutrale Haustechnik besteht aus Solar-Hybridkollektoren am Dach, Erdsonden und einer Wärmepumpe, die zugleich die ganze Anlage steuert.
Sechs ideale Einsteigerwohnungen mit dem Fallenberg im Osten und markantem Baumbestand auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Das System hat viele Abnehmer in der Schweiz, wo schon seit längerer Zeit Geothermie in Gebrauch ist. In Siedlungsgebieten kühlt das Erdreich aber dauerhaft aus, wenn mehrere beieinanderstehende Häuser über Erdsonden Wärme entnehmen. Die Anlagen bringen kaum noch Ertrag und für die natürliche thermische Regeneration bräuchte der Boden je nach Beschaffenheit Jahre. Mit der Solarhybrid-Wärmepumpenanlage kann der sommerliche Überschuss ohne zusätzliche Steuerungselemente über die Sonden im Erdreich gespeichert werden und es von Saison zu Saison regenerieren. Um eine solche CO2-neutrale Anlage herum sollte das neue Gebäude errichtet werden, als Musterhaus in nächster Nähe.

„Wir haben den Aufwand nicht gescheut
und alles konsequent auf Energieeffizienz gebaut.
Wir sind gespannt, wie gut die Betriebskosten
nach dem ersten Jahr in echten Zahlen sein werden.“

Bauherr

Mit Vorstudien zu einer Kleinwohnanlage beauftragte der Bauherr das Architekturbüro querschnitt aus Wolfurt. Sie stellten eine viergeschoßige Maximalvariante mit Satteldach, Keller und Tiefgarage sowie eine zweigeschoßige mit Flachdach vor. Neun Zweizimmerwohnungen oder sechs, das heißt eben auch neun Pkw-Stellplätze oder sechs. Die Bodenbeschaffenheit verlangte in jedem Fall eine Pilotierung, ideal für die kostengünstige Einbringung von Erdwärmesonden. Das Schluff-Tongemisch verhieß in Kombination mit dem hohem Grundwas­serstand nichts Gutes für Keller oder Tiefgarage, sie hätten mit einigem Kostenaufwand vor Nässe geschützt werden müssen. Damit war die erste Entscheidung gefallen: es sollte die zweigeschoßige Variante werden. Auf die Unterseite des Styropormodells schrieb der Bauherr eine Zahl: so viel dürfe das Ganze kosten. Höchstens.

Die Wohnungen sind großzügig, weil sie so wenig Vorgaben machen. Fast jeder Lebensstil lässt sich in ihnen realisieren, von häuslich und gastfreundlich bis halbnomadisch.

Die Architektin Simone Burt­scher und der Architekt Reinhard Weber von querschnitt sahen, wie niedrig das Budget sein sollte, nahmen die Herausforderung an und rechneten. Kompakter Baukörper bei optimaler Ausnutzung des siebeneckigen Grundstücks, einfacher Schalungsbeton statt Sichtbeton, Schwarzstahl für Innenstiege, Balkone und Terrasse, geschliffener Estrich und Parkett für die Fußböden, geschliffener Beton außen am Boden, minimalistische Einbettung in die Hanglage, Optimierung der Wohnungsgrundrisse. Die Abstellräume für die Mieter sollten im Schopf untergebracht werden, der am östlichen Eck des Grundstücks stand. Zu ihrer eigenen Überraschung konnten sie die ambitionierte Preisvorstellung des Bauherrn sogar knapp unterbieten –und bis zur Fertigstellung drei Jahre später halten.

Das Treppenhaus hat ein großes Fenster je Geschoß und ein Oberlicht, durch das Licht bis ins Erdgeschoß fällt.
Ankommen in der ersten eigenen Wohnung ...
Der Technikraum im Erdgeschoß ist ganze fünfeinhalb Quadrat- meter groß, da die Schaltschränke sich zum Flur hin öffnen lassen.

Obwohl die schlanke Haustechnik aus dem Keller ins Erdgeschoß wandern musste, ging sich bei zwei Wohnungen noch ein drittes Zimmer aus. Das Treppenhaus hat ein großes Fenster je Geschoß und zusätzlich ein Oberlicht, durch das die Sonne bis ins Erdgeschoß fällt, denn der unregelmäßige Grundriss lud dazu ein, einen Keil zwischen Stiege und oberem Gang frei zu lassen. Die Hybridkollektoren nehmen nicht einmal ein Sechstel der Dachfläche ein, der Technikraum ist ganze fünfeinhalb Quadratmeter groß. Die Schaltschränke lassen sich zum Flur hin öffnen – wieder zwei m2 gespart! Ich zähle die Pkw-Stellplätze an der Nordseite, eins, zwei, drei … wo ist der sechste? Die Architekten zeigen neben den von Grund auf erneuerten Schopf und lachen: „Wir haben auch lange suchen müssen, bis wir den gefunden hatten!“

Die große Wohnküche bekommt Tageslicht aus drei Himmelsrichtungen, an sie schließt der Balkon an.

Zu jeder Wohnung gehört auch ein Balkon oder eine Terrasse, zusätzlich wäre es auch möglich, Teile des Gartens zu mieten. Dank dem Verzicht auf ein drittes oberirdisches Geschoß fügt sich der Neubau selbst mit Flachdach gut in die unmittelbare Umgebung ein, in der auch noch alte Bauernhäuser stehen. Die Wohnungen sind großzügig, weil sie so wenig Vorgaben machen. Fast jeder Lebensstil lässt sich ealisieren, von häuslich bis halbnomadisch. Ideal scheinen sie für Einsteiger(innen), die das erste Mal eine eigene Wohnung mieten, sie machen die Hälfte der jetzigen Bewohner aus. Bei ihnen ist auch das Dach überm Auto nicht so ein Thema, die vielen geschützten Fahrradabstellplätze im Schopf schon eher.

Ästhetischer Minimalismus: Einfacher Schalungsbeton statt Sichtbeton, Schwarzstahl und geschliffener Estrich.
Der Schopf am östlichen Eck des Grundstücks wurde von Grund auf erneuert. Er schließt direkt an das Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück an, formt eine Hofsituation.

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Mähdergasse, Dornbirn

Bauherr privat

Architektur querschnitt, Reinhard Weber, Wolfurt, www.querschnitt.cc

Statik Andreas Gaisberger, Dornbirn, www.zt-gaisberger.at

Fachplaner Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Brandschutzplanung: IHW-Ingenieurbüro, Weiler

Planung 9/2016–12/2017

Ausführung 4/2018–11/2018

Grundstücksgröße 639 m² und 90 m²

Wohnnutzfläche 355 m², 6 Wohnungen

Nebengebäude 88 m² Abstell- und Fahrradraum

Bauweise Massivbau Ziegel mit Wärme­dämmung und Putzfassade; Flachdach mit thermischer Solaranlage; Schalungsbeton auf Sicht für Decken und Wände inne, Fundamentplat­te auf Duktilpfählen mit Sondenbelegung
für Erdwärme; Balkone und Treppen mit Stahlgeländern

Ausführung Baumeister: Hinteregger, Bregenz; Erdsonden: Enercret, Röthis; Solarmodule/Wärmepumpe: solator, Wolfurt; Installateur: Schneider, Schwarzach; Elektro: Hopf­ner, Buch; Fenster/Türen: Pümpel, Feldkirch; Abdichtung: Schwendinger&Fink, Wolfurt; Estrich: Vigl&Strolz, Mellau; Trockenbau: Raumwerk, Wolfurt; Verputz: Ellensohn, Götzis; Maler: Egger, Dornbirn; Schlosser: Feldkircher, Alberschwende; Boden: Bischof, Hard

Energiekennwert 37 kWh/m² im Jahr