Als kristallinen Körper, der wie ein Findling im Hang steckt,
hat Architekt Roland Stemmer das Haus Hartmann in Raggal angelegt.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Cornelia Hefel

Frau Hartmann und ihre Familie haben bis zum Umzug in ihr neues Haus in dem großen, rund 400 Jahre alten elterlichen Bauernhof im Raggaler Ortsteil Marul gewohnt. Ein Teil der dortigen Dorfgemeinschaft zu bleiben, war der Familie sehr wichtig. Einziger Wermutstropfen ist der lange Weg zu Arbeit und Schule. Der Bauplatz liegt mitten im Ort an einem leicht abfallenden Hang, in den das Haus rückseitig hineingegraben ist. Und mit seinem mit der Zeit vergrauenden Schindelkleid aus Lärche so tut, als wäre es ein Holzhaus, während in Wirklichkeit aber auf Wunsch der Bauherren alle erdberührenden Teilen aus Beton, der Rest aus Ziegeln gebaut ist. Als kompakter Baukörper, bei dem das relativ flache Satteldach durch das Fehlen eines Vordachs sozusagen zur fünften Fassade wird. Ein architektonisch interessanter gestalterischer Ansatz, der dadurch, dass Richtung Tal wie Hang die Dachrinnen aber außen montiert sind anstatt in das Dach integriert zu werden, leider in seiner Konsequenz aufgeweicht wird. Nur einer von mehreren Kompromissen, die Architekt Roland Stemmer auf Wunsch der Bauherren eingegangen ist.

Durch den leichten Knick der südöstlichen bzw. nordwestlichen Fassaden bekommt das Haus einen sechseckigen Grundriss. Dieser Knick setzt sich in der Firstlinie des flachen Satteldachs fort.
Hangseitig ist das Haus Hartmann genauso wie der Carport in den sanft abfallenden Hang hineingegraben. Dazwischen will die Hausherrin einen sehr speziellen Garten anlegen, der allerdings noch Zeit zum Wachsen braucht.

Der Grundriss des Hauses ist leicht sechseckig, indem die Fassaden Richtung Südosten bzw. Nordwesten leicht nach außen geknickt sind, wobei sich dieser Knick im First des Dachs fortsetzt. Ein formaler Trick, der die Kubatur feingliedriger daherkommen lässt, als sie ist, sie zu einem kristallinen Körper macht, der wie ein Findling im Hang steckt. Durchlöchert von ganz bewusst gesetzten braunen Holz-Alu-Fenstern in unterschiedlichen Formaten.

Wobei es besonders der Bauherrin wichtig war, dass die Fenster groß sind, um auf diese Weise das Außen ins Innen zu holen, habe sie doch lange genug in einem Haus mit kleinen Öffnungen gelebt.

Großartig gerahmte Blicke tun sich vom zentralen Küchen- bzw. Wohnraum auf die Großwalsertaler Bergwelt auf. Das Mobiliar ist schlicht und funktionell, die Raumhöhe hier angenehm großzügig.
„Große Fenster waren mir wichtig,
habe ich doch lange genug in einem Haus mit kleinen gelebt.“

Frau Hartmann, Bauherrin

Durch eine raumhohe Verglasung sind die Übergänge zwischen den Wohnräumen und der Terrasse fließend. Boden und Wände sind aus Holz, die Brüstung aus Glas.
Das Faible von Frau Hartmann für opulente Tapeten zeigt sich vorerst nur im WC im Obergeschoß.
Der eigentliche Wohnraum ist klein und durch eine Schiebetüre vom Rest abschottbar. Der Schwarzbär, der hier am Boden liegt, wurde allerdings nicht im Großen Walsertal, sondern in Kanada geschossen.

Der Eingang zum Haus mit seinen rund 160 Quadratmetern Wohnnutzfläche ist in die Kubatur hineingezogen. Über drei Stufen, über denen ein filigraner Kristallluster schwebt, kommt man zum mittig gelegenen Gang. Links gibt es eine großzügig dimensionierte Garderobe, Technik- und Stauräume, rechts, zum Tal hin, haben die Tochter und der Sohn ihre Zimmer und ihr eigenes Bad. Über eine Stiege gelangt man in den komplett offen angelegten Wohnbereich. Dessen Mittelpunkt ein riesiger langer Tisch samt Fensterbank und offenem Kamin ist. Etwas sehr groß ist der Küchenbereich mit seiner gewaltigen, von einer Edelstahlplatte bedeckten Kochinsel konzipiert. Eher klein im Vergleich dazu ist das eigentliche, durch eine Schiebetüre vom Rest abtrennbare Wohnzimmer, auf dessen Boden das Fell eines Schwarzbären liegt.

Hier oben sind die Räume angenehm hoch, die Böden sind im ganzen Haus schwellenlos aus Eiche, die indirekte Grundbeleuchtung besteht aus zarten, in die Decke eingelassenen Lichtschienen, die Wände sind weiß gestrichen. Dabei hätte die Hausherrin durchaus ein Faible für bunte, extravagant gemusterte Tapeten. Das brauche noch Zeit, sagt die Hausherrin, die richtigen müssten ihr noch über den Weg laufen, sagt sie. Wie das einmal werden könnte, lässt das WC im ersten Obergeschoß vermuten, das mit einer eleganten violetten Tapete verkleidet ist. Was durchaus Stimmung macht, selbst an diesem stillen Örtchen. Hangseitig schlafen Herr und Frau Hartmann. Neben einem komfortabel ausgestatteten offenen Kastenraum und einem großen Bad, auf dessen Boden Fließen liegen, die so tun, als wären sie Stein.

Im Erdgeschoß ist das Reich der zwei Kinder der Hartmanns.In diesem Zimmer bearbeitet der Sohn sein Schlagzeug.
Durch ein Regal wird das Zimmer der Tochter in einen Wohn- bzw. Schlafbereich geteilt.

Im Sommer ist allerdings die große, in den Baukörper hineingeschnittene, holzbeplankte Terrasse der Ort, wo die Familie Hartmann lebt und sich darüber verständigt, wer gerade in der riesigen Hängematte schaukeln darf. Die Brüstung ist gläsern, im Boden verankert in massiven metallenen Hochzügen, die die Optik doch einigermaßen stören. Der Carport ist in den Hang vergraben, an dem Frau Hartmann einen sehr speziellen Garten anlegen will, der zum Wachsen hier in rund 1000 Meter Seehöhe jedoch noch einige Zeit brauchen wird.

Daten & Fakten

Objekt Haus Hartmann, Raggal

Eigentümer Familie Hartmann

Architektur Roland Stemmer, Götzis, www.stemmerarchitekten.at

Statik Erich Huster, Bregenz, www.hagen-huster.at

Fachplanung Bauphysik: Spektrum, Dornbirn

Planung 9/2015–2/2018

Ausführung 9/2016–2/2018

Grundstück 708 m²

Nutzfläche 159 m² (zzgl. Keller: 24 m²)

Bauweise Massivbauweise: Erdberührende Bauteile und Decken aus Beton, Rest Ziegelmauerwerk; Fassade: naturbelassene Lärchenschindeln; Dach in Blecheindeckung: Holz-Aluminium-Fens­ter; Heizung: Erdsondenheizung und Holzofen

Ausführung DBaumeister BWA Bau, Schlins; Erdarbeiten: Oliver Zech, Marul; Elektro: Dietmar Andres, Feldkirch; Heizung/Sanitär: Martin Küng, Thüringen; Fenster und Sonnenschutz: Zech, Götzis; Spengler: Mathias Küng, Ludesch; Fassade Gilbert, Fontanella; Tischler Reinhard Sparr, Thüringen; Schlosser: Gruber, Raggal; Stiege: Müller, Sonntag; Ofen: Die Ofenbauer, Rankweil

Energiekennzahl 45 kWh/m² im Jahr