heim + müller architektur verwandelten ein 400 Jahre altes Haus in der Feldkircher Neustadt in einen sehr speziellen Ort zum Wohnen. „Normal“ in einem üblichen Sinn ist hier nichts, charmant so ziemlich alles.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Cornelia Hefel, Michael Kemter

Was der Name nicht vermuten ließe: Die Feldkircher Neustadt ist eigentlich die Altstadt, geschmiegt an eine Mauer, die im späten Mittelalter die kleine Stadt umgab. Die Häuser dieser Straße mit ihren mit Kreuzgratgewölben bestückten Lauben wurden in den folgenden Jahrhunderten immer wieder um- bzw. neu gebaut, auch das mit der Nr. 25. Das im Gegensatz zu so manchen seiner näheren Nachbarn viel Glück mit seinen wechselnden Besitzern gehabt hat bzw. seinen aktuellen hat. Der aus fünf Geschwistern und ihrer Mutter bestehenden Erbengemeinschaft Braubach, die aus ihrem gemeinschaftlichen Besitz etwas machen wollten, auf das sie und die Stadt stolz sein können. Und das, obwohl oder gerade weil das Haus für sie ein Renditeobjekt sein soll.

Zur Neustadt öffnet sich das viergeschoßige Haus Nr. 25 durch Lauben. Auf der Rückseite bleibt auf zwei Metern Breite gerade Platz für ein Fenster pro Geschoß.
Ein in allen Geschoßen großzügig verglaster Innenhof bringt viel Licht in das Innere des Gebäudes, das in seinem Kern auf das Jahr 1600 zurückgeht, um seither immer wieder umgebaut zu werden.

In Michael Heim (heim + müller architektur) fanden die Braubachs einen idealen Architekten für die Sanierung bzw. Revitalisierung ihres 400 Jahre alten, in den letzten Jahren zunehmend in einen desolaten Zustand abdriftenden Hauses. Hat das Dornbirner Büro doch nicht nur viel Erfahrung im Umgang mit historischen Bauten, sondern auch das intuitive Gespür, sich auf diese einzulassen. Kombiniert mit der Neugier auf Geschichten, die diese Mauern erzählen, das oft Widersprüchliche, das über Jahrhunderte zu einem neuen Ganzen geworden ist. „Architekturen sind wie Menschen“, sagt Michael Heim, den die glatte Oberfläche viel weniger interessiert als das Graben in tiefen Schichten, um Schönes freizulegen, das oft im Verborgenen schlummert.

Architekt Michael Heim sperrt die Haustüre weit auf. Seine Freude am Freilegen alter Spuren und Strukturen und ihrem „Heutig-Weiterdenken“ ist in jedem Detail spürbar.
Im Gang hinter der zweiflügeligen hölzernen Haustüre liegt ein alter Terrazzo. Er wurde nur gereinigt, Risse und kleine Fehlstellen wurden bewusst nicht „geflickt“. Etwa 100 Jahre alt dürfte auch die mit buntem Glas eingelegte Türe sein.
„Für mich sind Architekturen wie Menschen.
Was mich interessiert, ist das Graben in tiefen Schichten,
um Schönes freizulegen, das im Verborgenen blüht.“

Michael Heim, Architekt

In einigen der sieben Wohnungen wurde bei den Außenwänden das alte hölzerne Fachwerk freigelegt und das gemauerte Dazwischen weiß gekalkt. Die Holzböden und Fenster wurden wenn immer möglich erhalten.

Dass das Denkmalamt damit seine helle Freude hat, ist nur logisch. Und so wurde so viel wie möglich belassen. Was nicht zu retten war, wurde im Geist des Bestehenden rekonstruiert bzw. ganz pragmatisch durch Neues ergänzt. Mit dem Ergebnis, dass man im Haus Neustadt 25 etwa oft zwei hintereinander gesetzte Türen findet. Eine alte, die nur neu gestrichen wurde und eine schnörkellose neue, die die akustischen genauso wie sicherheitstechnischen und feuerpolizeilichen Vorgaben von heute erfüllt. Genauso war es für Heim auch kein Problem, das Geländer der alten gewendelten Holztreppe im innenliegenden Stiegenhaus durch eine zarte Metallkonstruktion auf jene Höhe anzupassen, die den aktuellen Bauvorschriften entspricht.

Die Verglasung der Dachschräge einer der Wohnungen lässt sich zu einer vorgelagerten, holzbeplankten Terrasse elektrisch öffnen. Als einziger Luxus, den man sich hier erlaubt habe, so Architekt Michael Heim.
Auf extravagante räumliche Lösungen stößt man ständig: Wie hier auf ein ganz modernes Bad, das direkt im Giebel eingerichtet worden ist.
Atmosphäre ist im Haus Neustadt 25 ganz großgeschrieben. Egal, ob die Wohnungen wie diese nur 45 m² klein oder gut 100 m² groß sind.

Im Parterre des viergeschoßigen Hauses befindet sich ein kleines Geschäftslokal, das man durch eine prächtige hölzerne Türe betritt, die der originalen des Haupteingangs daneben nachempfunden ist. Im langen Gang hinter diesem liegt ein alter Terrazzo, abgeschlossen durch eine mit buntem Glas eingelegte Tür aus der Zeit des Jugendstils zu einem nun als Fahrradraum genutzten, fast sakral daherkommenden Raum, der einst Teil der alten Stadtmauer gewesen sein dürfte.

An ihn schließt sich ein kleiner, gepflasterter Innenhof an und an diesen ein weiterer, konisch sich bis auf zwei Meter verengender Raum, der genauso wie der winzige Garten dahinter noch auf eine Nutzung wartet. In den oberen drei Geschoßen befinden sich sechs Wohnungen in der Größe zwischen 45 und rund 100 Quadratmetern. „Normal“ ist hier nichts, charmant dagegen fast jedes Detail. Da gibt es etwa eine Zweizimmereinheit mit einem leicht gebogenen und durch eine ganze Fenstergalerie belichteten Gang, der durch seine extreme Länge zum Rollschuhfahren Lust macht.

Die alte hölzerne Stiege wurde erhalten, sein Geländer durch eine minimale metallene Konstruktion auf die der heutigen Bauordnung entsprechende Höhe angepasst.

Die zwei unter dem neu gedämmten und mit Biberschwanzziegeln gedeckten Dach eingenisteten Wohnungen breiten sich auf zwei bzw. drei Ebenen aus. An ihren Außenwänden wurde teilweise das alte Fachwerk freigelegt, die Aufteilung der Räume ist genauso extravagant, wie es ihre Formen und Höhen sind.

Zum Innenhof hin öffnen sich die oberen Wohnungen zu feinen holzbeplankten Terrassen. Zu Oasen mitten in der geschäftigen Innenstadt, die sich bei der größten der Einheiten durch eine elektrisch ausfahrbare Verglasung der Dachschräge ins Innere fortsetzen lässt. Als einziger wirklicher Luxus, den man sich hier geleistet habe, sagt Michael Heim.

Der mit seinen Nischen fast sakral daherkommende Raum, in dem nun die Fahrräder der Bewohner abge- stellt werden, dürfte ein Teil der alten Feldkircher Stadtmauer gewesen sein.

Daten & Fakten

Objekt Neustadt 25, Wohn- und Geschäftshaus in Feldkirch

Bauherr Braubach Vermietung

Architektur heim + müller architektur ZT, Dornbirn, www.heim-mueller.at

Statik Gerhard Moser, Wolfurt

Fachplanung Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg

Planung 11/2016–2/2017 (Bestandsaufnahme 2014)

Ausführung 3/2017–4/2018

Grundstück 192 m²

Nutzfläche 558 m² (6 Wohnungen, 2 Geschäfte, Keller)

Bauweise Natursteinmauerwerk mit Kalk- und Kalkzementputz; im Dachgeschoß ausgefachtes Riegelwerk mit Kalkgrobputz; Zwischendecken als Balkendecke mit verputzter Schilfmattenunter­sicht; Mauern teilweise ehemalige Stadtmau­ern; Gewölbekeller in Naturstein gemauert mit offenem, gepflastertem Boden; Parkett vor 1900 oder Fichtedielen; Dachstuhl nun zwischen den Sparren gedämmt und mit Biberschwanzdoppeldeckung versehen; Heizung: Gastherme mit Radiatoren; Fenster teilweise Kastenfenster mit Spros­senteilung, teilweise Sanierungsfenster mit Zweischeibenverglasung sowie Fensterläden

Besonderheit Denkmal­geschütztes Gebäude

Energiekennwert 35 kWh/m² im Jahr (im Wohnbereich)

Baukosten 1,5 Mill. Euro