Ein „Kleid“ aus fein perforiertem, mäanderförmig gekantetem Alublech
lässt vergessen, dass die neue Pädagogische Hochschule Tirol
in Innsbruck zur Hälfte die runderneuerte alte ist.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Zooey Braun

Das Geheimnis, dass man glaubt, vor einem komplett neuen Haus zu stehen, ist, dass die Dornbirner ARSP Architekten, die 2012 den von der Bundesimmobiliengesellschaft EU-weit offen aus-geschriebenen Architekturwetbewerb gegen 62 Konkurrent(inn)en gewonnen haben, vom Bestand so viel erhalten haben, was für sie Sinn machte, bzw. neu gebaut, was notwendig war. Um auf diese Weise von den Baukosten rund ein Drittel einzusparen. Ließ die Wettbewerbsausschreibung doch offen, ob der aus den 1970er-Jahren stammende Bestand komplett oder teilweise abgerissen, zur Gänze neu gebaut oder „nur“ grundlegend saniert wird.

ARSP Architekten entschieden sich für ein Hybrid, bei dem das Neue strukturell mit großem, kreativem Potenzial aus dem Bestand weiterentwickelt wird. Wobei gerade im Inneren immer klar ablesbar bleibt, was alt bzw. neu ist. Wenn etwa der Beton des auf seine Strukturen entkernten Bestands hell gestrichen wurde, während die neuen Teile in purem Sichtbeton gebaut sind. Bei den Fassaden wird die durch durchgehende Fensterbänder gerasterte Struktur des Bestands aufgegriffen und raffiniert weitergedacht. Zelebriert als Spiel mit offenen und teilweise über mehrere der vier Obergeschoße geschlossenen Flächen. Rund 1000 Studierende und Lehrende, 400 Volks- und Mittelschüler(innen) sowie ebenso viele Menschen, die in Forschung und Verwaltung arbeiten, haben in der Pädagogischen Hochschule Tirol ihren Lern-, Lehr- bzw. Arbeitsplatz. Das bestehende Haus war längst zu klein geworden, was 17 über das gesamte Innsbrucker Stadtgebiet verstreute Dependancen zur Folge hatte. Um nach Jahren sorgfältiger Planung nun auf gewaltigen 24.000 Quadratmetern Nutzfläche an einem Ort konzentriert zu werden, der allen Anforderungen entspricht, die heute an eine Schule bzw. einen Hochschul-Campus gestellt werden.

Durch die mehrfache Gliederung des lang hingestreckten Gebäudekomplexes wird dessen Masse geschickt relativiert. Wobei die einzelnen Baukörper durch eine zurückweichende durchgehende Sockelzone zusammengebunden werden. Sie macht, indem sie komplett verglast ist, das Gebäude in diesem Bereich nicht nur durchsichtig, sondern lässt es auch fast wie schwebend daherkommen. Zusammengebunden durch ein über dem Erdgeschoß angebrachtes „Bildungsband“, das das Leben an der Pädagogischen Hochschule spiegeln und auf den Punkt bringen soll. Es ist genauso wie das Leitsystem im Haus gestaltet vom deutschen Grafikdesigner Andreas Übele und sorgt nicht nur dafür, dass jeder dort hinfindet, wohin er in dem riesigen Komplex will, sondern bringt auch so etwas wie künstlerisches Flair ein.

Das Leitsystem korrespondiert in seinem Minimalismus fabelhaft mit dem architektonischen Anspruch von ARSP Architekten. Deren Handschrift ist bei diesem Projekt eine bewusst schnörkellose, auf wenige pure Materialien konzentrierte, bisweilen fast raue. Wenn etwa die Lüftungsrohre unverkleidet an den Decken der großen Aula geführt werden, was wiederum der Raumhöhe und somit dem Atmosphärischen guttut. Diese Aula ist genauso Lern- und Aufenthaltsort, Bibliothek wie Mensa sowie Durchgangsort zum großen Freigelände Richtung Süden und einem kleinen Innenhof. Die Bestandsgebäude wurden entkernt, energetisch saniert und neu strukturiert. Komplett neu sind die zwei Baukörper, die Richtung Osten das Areal abschließen. Wobei sich dadurch, dass der straßenseitige vorgezogen ist, eine reizvolle Platzsituation ergibt. Hier sind die Büros für Lehrende, Forschung und Verwaltung der Pädagogischen Hochschule untergebracht genauso wie der große, von Oberlichten fein erhellte Hörsaal.

„Die Republik Österreich hat viel Geld
in diesen innovativen Lernort für Pädagog(inn)en
aller Schularten investiert.“

Thomas Schöpf
Rektor

In eine andere Welt scheint man in dem südlich daran anschließenden zweiten neuen Bauteil einzutauchen, in dem die Praxisschulen untergebracht sind. Sie sind für Thomas Schöpf, den Rektor der Pädagogischen Hochschule, die schönsten Schulen weit und breit. Angelegt als Cluster um ein in den Baukörper hineingeschnittenes, rundum verglastes Atrium. Die eigentlichen Klassenzimmer sind mit rund 100 Quadratmetern riesig und durch ihre Holzböden wohnlich.

Dass die Pädagogische Hochschule Tirol von außen wie aus einem Guss daherkommt, ist allerdings seiner kompletten Umhüllung durch mäanderförmig rechteckig gekantetes, fein perforiertes Alublech geschuldet.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Erweiterung Pädagogische Hochschule Tirol, Innsbruck
Bauherr BIG – Bundesimmobiliengesellschaft
Architektur ARSP ARCHITEKTEN, Dornbirn, www.arsp-architekten.eu
Projektleitung Jürgen Postai
Statik gbd, Dornbirn, https://gbd.group
Fachplanung (Auswahl) Freiraum: Silands Gresz+Kaiser, Ulm; Bauphysik: BDT, Frastanz; Heizung, Klima. Lüftung, Sanitär: Peis & Partner, Innsbruck; Elektro: Hanel, Innsbruck; Signaletik: uebele, Stuttgart
Wettbewerb 2012
Planung 04/2013–03/2020
Ausführung 08/2018–03/2021
Grundstücksgröße 16.352 m²
Nutzfläche 24.288 m²
Bauweise Fortführung der bestehenden Stahlbeton-Skelettbauweise
Ausführung (Auswahl) Baumeister: Hans Bodner, Kematen; Dach: Filzmaier, Steinhaus; Elektro: Fiegl+Spielberger, Innsbruck; Sanitär: Markus Stolz, Innsbruck; Lüftung: Dietrich, Kirchbichl; Schlosser: Nocker, Navis; Fassa­de: Reinhard Eder, Völkermarkt; Restaurie­rung: Museumspartner, Innsbruck; Fenster: Wilhelmer, Kolbnitz; Türen: Huter, Innsbruck; Tischler: Suntinger/Wallner, Rangersdorf; Linoleum: Drini Memedi, Graz; Akustikdecken: Bohn, Feldkirch; Schilder: Pixel Project, Innsbruck, Neuhold, Schlitters
Baukosten 45,7 Mill. Euro