Bernardo Bader ist im Bregenzerwald aufgewachsen. Sein bisheriges Architektenleben lang befasste er sich kontinuierlich mit der Typologie des ortstypischen Bauernhauses und dessen Bauweise. Gute 200 Jahre hatte das Elternhaus des Bauherrn hoch über dem Dorf überdauert; nun hatte der Holzwurm übernommen und es war nicht mehr zu retten. Bader plante an seiner Stelle ein neues Holzhaus mit Satteldach und Fichtenfassade, das jetzt bereits wirkt, als sei es immer schon da gewesen.

 

Text: Isabella Marboe | Fotos: Gustav Willeit

Die Lage ist einzigartig: Das schlichte Haus steht so gut wie allein auf weiter Flur. Die Ortschaft Hittisau ist dem Blickfeld entrückt, im Norden eine schmale, kurvige Straße, ansonsten nur Almen bis zur Bergkette mit der Winterstaude am Horizont. Das Haus hat keinen Keller und einen rechteckigen Grundriss, etwa elf Mal sechzehn Meter, ein Geschoß, darüber ein steiles Satteldach. Es sieht aus, als wäre es immer schon da gewesen. Das täuscht, denn es wurde erst 2019 nach Plänen von Bernardo Bader errichtet.

Und es täuscht doch nicht ganz: denn genau hier stand „mindestens zwei Jahrhunderte lang“ das Haus der Vorfahren des Bauherrn. „Es hatte keine Fundamente, war billig gebaut und immer wieder zusammengeflickt worden“, sagt er. „Wir haben es nach dem Tod der Eltern übernommen und uns gefragt, was wir damit tun sollen.“ Wasser, Wind und Wetter hatten ihm zugesetzt, der Holzwurm überhandgenommen, die Balken waren morsch. „Meine Mutter wohnte bis im Jahr 2010 in diesem Haus, wir mussten immer gleich den Schnee vom Dach schaufeln, sonst wäre es eingebrochen“, erzählt der Bauherr. Trotzdem fragte er einige Zimmerleute, ob eine Sanierung sinnvoll möglich wäre. Daran war nicht zu denken, daran, diesen Ort unbebaut zu lassen, ebenso wenig. Denn dieses Haus gehörte längst zur Landschaft.

„Der Entwurf sollte nicht extravagant sein, sondern einem in die Kulturlandschaft eingewachsenen Haus entsprechen.“

Prof. Bernardo Bader
Architekt

Architekt Bernardo Bader studiert die Holzbauten, die sich mit den Jahrhunderten aus der Lebenskultur des Bregenzerwaldes entwickelt haben, genau. „Architektur ist gut, wenn sie von innen heraus gut funktioniert und sich einfügt“, sagt er in einem Interview mit dem Journalisten Peter Reischer. „Der Typus des Bauernhauses, wie er bei uns üblich ist, beschäftigt mich immer wieder.“ Das neue Haus steht genau dort, wo das alte gestanden war. Es ist drei Meter kürzer, sonst ist die Kubatur genau die gleiche. Man betritt es längsseitig im Norden, wo der Holzschirm aus vertikalen, sägerauen Latten komplett geschlossen wirkt. Einzig der Eingang ist in einer kleinen Nische eingeschnitten: Eine äußerst minimierte, verknappte Form des ortsüblichen Schopfes, gerade groß genug, um die Schuhe abzustreifen und witterungsgeschützt vor der Tür zu warten.

Das angrenzende Garagentor verschwindet ganz in der Fassade aus unbehandelten Fichtenbrettern. „Jede Seite sieht anders aus“, sagt der Bauherr. „Im Süden brennt die Sonne drauf, dort ist sie schon ganz braun, im Norden ist sie grau, im Osten und Westen schimmert sie graubraun.“ Die dortigen Fenster können von einem Scheunentor, das auf einer einfachen Stahlschiene vor der Wand läuft, verdeckt werden.  Das Herz des Hauses ist die Wohnküche: Sie erstreckt sich von Norden nach Süden über die gesamte Breite, der freistehende Herdblock und die dahinterliegende Kastenwand fungieren als Raumteiler zwischen dem Wohnen im hinteren Bereich und dem familiären Esstisch an der Sonnenterrasse im Süden. Wie ein traditioneller Schopf ist sie fast zwei Meter tief windgeschützt zwischen den Schlafräumen im Osten und der vorstehenden Außenwand im Westen eingeschnitten.

Das Haus steht auf Streifenfundamenten im Kiesbett. Ein Kranz aus gestocktem Beton bildet den Sockel, über dem der Abschluss der Fassade wie der gerippte Saum eines Kleides leicht vorsteht. Dieses Detail verbindet Funktion mit Ästhetik und bringt so die Haltung von Bernardo Bader auf den Punkt. „Man kann Architektur und Erscheinung nicht trennen. Mir ist sehr wichtig, wie ein Gebäude in Erscheinung tritt“, und nimmt dabei auch Bezug auf das Bauen mit Holz: „Gerade bei Holz stelle ich mir immer vor: Wie wird dieses Gebäude in 30 Jahren ausschauen?“ Innen ist das ganze Haus aus Weißtanne, die Böden sägerau, die Wände geschliffen, sie schimmern seidig. Der Bauherr ist Tischler, er täferte alles selbst. Im offenen Raum unterm Dach kommt die Holzkonstruktion hervorragend zur Geltung. Dort steht die kleine Werkstatt des Bauherrn und haben die drei Enkel genug Platz zum Bodenturnen. Sie übernachten gerne dort. Wenn sie nicht unter freiem Himmel zelten. Die Bauherren sind sehr glücklich mit dem Haus und seiner Lage. „Wir danken jeden Tag dafür.“

Daten und Fakten

Objekt: Haus Bolgenach, Hittisau

Architektur: Bernardo Bader Architekten, Bregenz, www.bernardobader.com

Statik: ZTE Leitner, Schröcken, www.zte.at

Fachplanung: Haustechnik: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Elektro: Österle, Doren

Bauleitung: Jürgen Haller, Mellau

Planung: 09/2019–03/2021

Ausführung: 03/2020–06/2021

Grundstück: 11.294 m²

Nutzfläche: 251 m²

Bauweise: Holzständerbau mit Deckleistenschirm aus sägerauen Fichtenbrettern; Holzbalkendecke; Holzsparrendach

Besonderheiten: Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit

Ausführung: Baumeister: M-Bau, Schwarzenberg; Holzbau: Hirschbühl, Riefensberg; Erdarbeiten: Hermann Dünser, Bizau; Dachdecker: Gunter Rusch, Alberschwende; Fenster: Kurt Flatz, Alberschwende; Türen: Andreas Flatz, Egg;

Energiekennwert: 41 kWh/m² im Jahr (HWB)