Die Windkraft Simonsfeld im niederösterreichischen Weinviertel ist ein Pionier alternativer Energie, sie wächst dynamisch. Es brauchte doppelt so viele Arbeitsplätze, Küche, Kantine und mehr. Architekt Juri Troy setzte einen nachhaltigen, U-förmigen Neubau aus heimischem Holz vor den Bestand von Georg Reinberg. Nun umringen Alt und Neu gemeinsam ein windgeschütztes, offenes Atrium als Ruhepol und man schaut von Arbeitsplätzen in die Landschaft.

Text Isabella Marboe · Fotos Patrick Johannsen

Die Adresse spricht Bände: Energiewende Platz 1. Die Geschichte der Windkraft Simonsfeld begann 1996 als Bürgerbeteiligungsgesellschaft. „Das Weinviertel ist eine gute Windregion. Unsere Idee war einfach, hier unsere Energie anders als fossil zu erzeugen“, erklärt Technikvorstand Markus Winter. „Die Windkraft Simonsfeld ist mit derzeit 120 Beschäftigten einer der wichtigsten Arbeitgeberinnen der Region“, so Finanzvorstand Alexander Hochauer. „Wir wollten unserem Team bestmögliche Bedingungen bieten.“ Das bestehende Büro des Baujahres 2014 mit seinen rund 45 Arbeitsplätzen war längst zu klein, Architekt Georg Reinberg hatte den Wettbewerb dazu gewonnen. Er setzte den geschwungenen Baukörper mit der geneigten Südfassade als Sonnenfenster und Blickfang in die Mitte des Grundstücks. Im dahinterliegenden Atrium erschließt eine Galerie die Büros an der massiven Mittelwand, die als Wärmespeicher dient.

Der Neubau sollte aus Holz und möglichst vielen organisch nachwachsenden, ressourcenschonenden Baumaterialien sein. Es brauchte einen ordentlichen Empfang, Veranstaltungssaal, eine neue Küche, Kantine sowie gut und gerne doppelt so viele Arbeitsplätze. Mit der Auslobung hatte man den Projektsteuerer M.O.O.CON beauftragt, schon dieses Detail zeigt den hohen Qualitätsanspruch. Kojen für Videotelefonie, Besprechungsräume und Begegnungszonen waren von Beginn an mitkonzipiert.

„Das Unternehmen ist extrem vorausschauend. Boden ist nicht vermehrbar, mit dieser Ressource muss man sparsam umgehen.“

Juri Troy
Architekt

„Das Unternehmen ist extrem vorausschauend“, sagt Architekt Juri Troy. Für ihn lag der Bestand in der Mitte des Grundstücks nicht richtig. „Boden ist nicht vermehrbar, mit dieser Ressource muss man sparsam umgehen.“ Troy setzte seinen zweigeschoßiger Holzskelettbau im Süden davor. Ein Teil seiner Grundfläche war in der Wettbewerbsausschreibung nicht als Bauplatz definiert, insofern war seine Entscheidung sehr mutig, doch sie überzeugte die Jury. Nun dockt ein Holzskelettbau an beiden Enden der leicht gebogenen Sonnenfenster-Fassade an den Bestand an und fasst ihn U-förmig ein. So entsteht ein windgeschützter, offener Innenhof als neuer, zentraler Freiraum. Vor die bestehende Fassade wurden Seile als Rankgitter gespannt, hier treten Alt und Neu in einen Dialog und man kann sich immer orientieren.

„Der Durchstich war sehr unkompliziert“, sagt Troy. Man kann ganz einfach auf einer Ebene vom Alt- in den Neubau und damit auch so en passant vom bauherrlichen Nachhaltigkeitsbegriff der Vergangenheit in den der Gegenwart wechseln. Damals bestimmte die Faszination für die Technologie der Winkraft- und Photovoltaikanlagen das Verständnis, heute steht das nachwachsende Material im Mittelpunkt. Diese Gegensätzlichkeit bereichert das Gebäude. Man betritt das Büro nun im Westen, wo der leicht vorstehende Bestandszubau einen Vorbereich definiert. Hier beginnt auch der gedeckte Umgang, der sich im Süden und Osten um das Ergeschoß zieht und am südöstlichen Eck zu einer Terrasse vertieft. Das gesamte Erdgeschoß ist halböffentlich. Das Konstruktionsholz aus Fichte, der geschliffene Terrazzo am Boden und die Oberflächen aus Weißtanne wurden mit weiß pigmentiertem Öl behandelt, damit sie nicht vergilben.

Vom Empfang sieht man schon zum Innenhof, an den im Süden eine großzügige Gemeinschaftszone mit Bar zur zwangslosen Kommunikation einlädt, die genauso gut bei Veranstaltungen als Foyer genutzt werden kann. Sie mündet direkt in den Raum, der dem angrenzenden Veranstaltungssaal zuschaltbar ist. Er nimmt den östlichen Teil des Gebäudes in Beschlag, wo kein Erschließungskern die Mittelzone blockiert. Hier wurde das Gelände etwas abgegraben, damit der Saal höher wird. Dieses Mehr an Höhe braucht es auch, die übrigen Räume dienen Besprechungen. Das Büro ist ein modularer Holzskelettbau mit einem massiven Stampflehmkern, der für ein gutes Raumklima sorgt, bauteilaktiviert ist sowie die Sanitär- und Nebenräume aufnimmt. Erstere sind mit schwarzem Stein sehr exquisit gestaltet, auch die Erschließung ist besonders: die einläufigen Treppen führen zwischen zwei Lehmwänden aufwärts. Der Lehm stammt vom eigenen Baugrund, bei der Herstellung sammelte man wichtige Erfahrungswerte. Beispielsweise, dass Lehm immer unter Dach gestampft und verdichtet werden muss. Der Zuschlag für den Terrazzo vom nahen Steinbruch in Ernstbrunn, für Holz- und Innenausbau haben regionale Betriebe gefertigt.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at

Windkraft Simonsfeld / Ernstbrunn

Bauherrenschaft: Windkraft Simonsfeld
Architektur: Juri Troy, www.juritroy.com
Statik: KPPK ZT GmbH, www.kppk.at
Planung: 09/2022
Ausführung: 08/2023–09/2024

Energiekennwert: HBW 34 kWh/m² im Jahr
Kosten: 67,16 (C) HWBRef,SK
Fachplanung: Holzbau und Teil GU: Strobl Bau – Holzbau GmbH; Tiefbau: Porr Bau GmbH; Baumeister: Schüller Bau GmbH; Lehmbau: pro Lehm Frauwallner GmbH & Co KG; Heizung, Lüftung, Sanitär: GETEC Anlagenbau GmbH; Elektrotechnik: Gottwald GmbH & CO KG u. a.