Die Wohnhausanlage Rappenwald in Feldkirch-Tisis überrascht mit feinen Details.

Autorin: Franziska Leeb | Fotos: Darko Todorovic, Ulf Hiessberger

Auf einer Grundstücksfläche, die oft schnell einmal für ein Einfamilienhaus mit Garten verbraucht wird, brachten die Gohm Hiessberger Architekten auf einem Hang im Feldkircher Ortsteil Tisis acht Wohnungen in zwei Baukörpern unter. Enge kommt dennoch keine auf, das kluge Arrangement hält ein äußerst attraktives Angebot an Freiflächen bereit und punktet mit ansprechenden Details.

Schwarz-Weiß-Kontrast Durch die weißen Untersichten der Loggien und Balkone kommt der schützende Aspekt der hölzernen Hülle deutlich zum Tragen.
Blick hangaufwärts Ins Tal öffnen sich die Wohnungen über ihre ganze Breite und über zwei Geschoße die Erschließungspassage.

Die Feldkircher Hügel sind eine Art 3D-Wimmelbilder für (Architektur-)Touristen. Man steht irgendwo unten im Tal, lässt den Blick schweifen und bleibt immer wieder hängen, weil sich da und dort auf den schon recht dicht besiedelten Hängen ein Kleinod offenbart. Auch am Rappenwald wuchs so ein Häuser-Wimmelbild heran. Wo in den 1950er-Jahren verstreut ein paar Höfe lagen, entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte eine Ansiedlung von Einfamilienhäusern und kleineren Wohnhausanlagen. Der Westhang ist zu einem beliebten Wohngebiet geworden. Lang her sind die Zeiten, in denen der Waldrapp, nach dem die Flur angeblich benannt ist, hier hauste. Der schwarz gefiederte Ibisvogel ist in Mitteleuropa, weil gern gejagt, bereits im 17. Jahrhundert ausgestorben und hierzulande nur noch im Tiergarten Schönbrunn zu bewundern.

Parallel gestaffelt schmiegen sich die Häuser in den Hang. So bleibt der Maßstab ebenso gewahrt wie die Aussicht in die Schweizer Berge.

Ob das rare Federvieh die Farbgebung der Siedlung Rappenwald inspiriert hat? Nein, lacht Architekt Ulf Hiessberger. „Wir wollten eine Holzfassade, aber da eine natürlich vergrauende Fassade nicht jedermanns Sache ist, entschieden wir uns für einen homogenen deckenden Anstrich in Schwarzbraun, der einem Haus in diesem nicht mehr bäuerlich, sondern durchaus städtisch geprägten Umfeld gut zu Gesicht steht.“ Andererseits ist der satte Farbton, der das Bauvolumen kleiner wirken lässt, sodass es sich besser in die Landschaft duckt, durchaus vergleichbar mit jenem der von der Sonne dunkelbraun gebrannten alten Hoffassaden.

Nicht nur Abstandshalter: die gemeinschaftliche Fläche dazwischen ist auch von der Essküche zugänglich und wird so zum leicht erreichbaren sozialen Treffpunkt.

Die Farbe ist freilich bloß das kosmetische Tüpfelchen auf dem i. Für die gute Einfügung in das Gelände sorgt viel mehr ein ausgeklügeltes architektonisches Konzept. Acht Wohnungen fandem auf dem Grundstück, einer größeren Einfamilienhausparzelle, Platz. Damit das Bauvolumen nicht wuchtig zutage tritt und auf die Körnigkeit der Umgebung Rücksicht nimmt, brachten die Architekten sie in zwei schlanken zweigeschoßigen Baukörper. Parallel leicht gegeneinander verschoben und um ein Geschoß versetzt angeordnet, umfangen sie einen Wohnhof. Ein offener Durchgang gliedert jedes Haus in ein nördliches Segment mit kleinen und ein südliches Segment mit größeren Wohnungen. Diese Zäsur nimmt einerseits die offenen Stiegenhäuser auf, sie ist zugleich aber auch, um mit Le Corbusier zu sprechen, eine „promenade architecturale“ durch das kleine Ensemble. Der Weg durch die Baukörper und über den Hof gestaltet sich als Ein- und Auftauchen in den Hang und die Häuser. Zum Verweilen laden die Treppenpodeste ein, von denen sich gerahmte Blicke in die Landschaft eröffnen. Diese Bildabfolgen von Aus- und Durchblicken machen aus einer ökonomischen Methode der Wohnungs- und Grundstückserschließung ein räumliches Erlebnis.

Der durch die Häuser hindurchführende Erschließungsweg mündet in der Wiese und rahmt den Ausblick.
„Black is beautiful: Wir wollten eine Holzfassade, aber eine,
die dem städtischen Milieu gut zu Gesicht steht.“

Ulf Hiessberger
Architekt

Bei allen acht Einheiten handelt es sich um freifinanzierte Einheiten, deren Interieur jeweils individuell gestaltet wurde. Allen Wohn-/Essküchen ist eine geräumige Loggia oder Terrasse vorgelagert.
Nicht bloß zur natürlichen Belüftung: Hohe Fenster sorgen in den Badezimmern für viel Tageslicht, Aussicht und damit auch großzügiges Flair.

Hanglage und Bergpanorama bilden die natürliche Kulisse, für die Dramaturgie sorgt die Architektur. An diese über den Hof führende Passage durch die Häuser sind witterungsgeschützt sowohl die Wohnungseingänge angelagert als auch die somit auf kurzem Weg erreichbaren Allgemeinflächen wie Müllraum und Fahrradabstellraum. Letztgenannte sind nach außen mit einer Wand aus Holzleisten abgeschirmt, deren Fugen für Tageslicht, Einblick und gute Durchlüftung sorgen. Dieses Motiv findet sich wieder als seitlicher Sichtschutz für Loggien und Terrassen.

Sorgfältig durchdacht ist die Textur der Oberflächen, die den horizontal gelagerten Baukörpern eine feine vertikale Zeichnung verleiht. Unterschiedlich breit sind die Latten der Fassadenverschalung, womit sich nicht nur ein anmutiger Fugenrhythmus ergibt, sondern auch gewährleistet ist, dass im Bereich der Laibungen keinerlei Zuschnitte erforderlich sind und das Fugenbild ungestört durchläuft. Die Metallgeländer aus Flachstahl komplettieren die dunkle äußerste Schicht, die mit den weißen Untersichten der Loggien – die somit eindeutig als „wohnungszugehörig“ markiert sind – kontrastieren.

Auf die Loggien und Terrassen öffnen sich die Wohnräume über die ganze Front nach Westen. Ansonsten bringen schlanke französische Fenster viel Tageslicht ins Innere. Frau F. weiß es besonders zu schätzen, dass sie durch die Fenstertür der Küche direkt in den Wohnhof gelangt und hat sich dort mit einer Bank und Pflanzen einen gemütlichen Vorgarten eingerichtet. Fangsbühel lautet eine Straßenzeichnung in der Nähe. „Fang den Hügel ein“ (wenn wir es linguistisch nicht so genau nehmen) könnte auch bei der Wohnanlage Rappenwald das Entwurfsmotto gewesen sein. Markus Gohm und Ulf Hiessberger ist es jedenfalls gelungen, im Einklang mit der Topografie des Ortes ein kleines Ensemble von moderater Dichte zu komponieren, das bei aller Rationalität und Ökonomie viel poetische Energie entwickelt.

Offene Lattenstrukturen schirmen den Fahrradraum (im Bild links der Stiege, erdgeschoßig im nördlichen Teil) ab und dienen als Sichtschutz für die Loggien. Hinter den geschlossenen Wangen der Loggien verbirgt sich Stauraum.

Daten & Fakten

Objekt Haus Rappenwald, Feldkirch-Tisis

Bauherr ZIMA Wohn-Baugesellschaft, Dornbirn

Architektur Gohm Hiessberger, Feldkirch, www.gohmhiessberger.com

Statik Mader Flatz, Götzis

Fachplanung Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung, Sanitär, Lüftung, Elektro: Dorf Haustechnik, Götzis

Planung 2014–2016

Ausführung 9/2016–12/2017

Grundstücksgröße 1530 m²

Grundstücksgröße 595 m²

Bauweise Bestand Tiefgarage/Keller: Stahlbeton; Massivbauweise, Fassaden mit Holzverkleidung

Besonderheit acht Wohneinheiten mit gemeinsamem Innenhof

Ausführung Baumeister; Hilti & Jehle, Feldkirch; Fenster: K-Wert, Dornbirn; Trockenbau: Rudigier, Bludenz; Böden: Fechtig, Dornbirn; Fliesen: Fliesenpool, Götzis; Heizung/Lüftung/Elektro: Dorf Haustechnik, Götzis; Schlosser: Summer, Feldkirch

Energiekennwert 46 kWh/m² im Jahr

Baukosten ca. 1,1 Mill. Euro