Raumwunder
Simon Metzler und Lukas Schelling haben mit ihrem Architekturbüro
ein Haus für Simons Schwester geplant.
Das Haus an der Stadtkante nimmt die Typologie der
umliegenden landwirtschaftlichen Gebäude auf und ist im Inneren
ein richtiges Raumwunder.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Adolf Bereuter
Wie hört eine Stadt auf? Ist das eine harte Kante mit einem hohen Gebäude oder soll die Bebauung hier sanft auslaufen? Simon Metzler, bei dieser Planungsaufgabe nicht nur als Architekt, sondern auch als Familienmitglied gefordert, hat sich für zweitere Variante entschieden. „Wir sind hier im Ried, an der Grenze zum Naturraum. Die Wohnbebauung hört hier auf. Nach dieser Grenze kommen als Bebauung noch einige Stadel und vereinzelte Bauernhäuser. Diese haben wir als Grundmotiv für dieses Haus gewählt und uns damit einer bereits bestehenden Typologie bedient.“ Dabei blieb man konsequent. „Das Haus steht gefühlt wirklich im Ried. Es gibt keine Hecke, keinen Zaun. Es ist ein Baukörper ohne Zubauten, ohne zugepflasterte Zwischenräume zu den anderen Gebäuden im Siedlungsumfeld hin.“ Dabei war es der Bauherrschaft und den Planern wichtig, dem Prinzip des Stadels auch von der räumlichen Denkweise zu folgen. „Ein Stadel funktioniert als Raum, der möglichst viel integriert. Man stellt darin Sachen ein. Es ist ein einfacher Raum und dieses Prinzip haben wir auch im Inneren angewandt.“
Markant ist die schwarze Farbe des auf einen steinernen Sockel gestellten Holzbaus. Im Sonnenlicht scheint durch den schwarzen Anstrich die Maserung des Holzes durch. Dieser sorgte zunächst auch für familieninterne Diskussionen, denn die Familie Metzler führt seit vielen Jahren ein Sägewerk und einen Holzhandel. „Dass wir mit Holz bauen werden, war für uns klar. Der verständige Umgang mit dem Material ist uns, meiner Schwester als Bauherrin, und mir, ein wirkliches Anliegen. Und so ist das Haus nicht etwa schwarz, weil es modisch ist, sondern aus der Überlegung heraus, wie das Holz an diesem Standort altern wird.“ Im Ried, in dieser Höhenlage und Senke im Rheintal, dem Nebel und der Luftfeuchte werden Holzhäuser ohne Anstrich nicht wirklich silbrig, sondern schwarz. „Das haben wir zeitlich vorweggenommen.“
Im Inneren spricht das Haus die Sprache einer ausformulierten Kultur des Wohnens und Arbeitens. Alles hat seinen Platz, kann ordentlich verräumt werden, hat eine Funktion und dennoch gibt es fast keine Möbel im Inneren. Alles ist verstaut in funktionalen Wänden. Das Haus im Ried kann viel, auch wenn ein Wehrmutstropfen bleibt. „Es ist uns sehr bewusst, dass die Zukunft des Wohnens nicht im Einfamilienhaus liegen soll und kann. Wir haben intensiv und lange familienintern beraten und andere Möglichkeiten geprüft und sind doch wieder zu diesem Modell gekommen. Unser Beitrag ist nun der sensible Umgang mit dieser Typologie und der Landschaft.“
„Unser gesellschaftlicher Beitrag
bei dieser Bauaufgabe
ist der sensible Umgang mit Landschaft.“
Simon Metzler
Architekt
Unter dem schwarzen Mantel des Hauses, der durch die sehr feinen Latten auch ein bisschen wirkt wie ein Plisseerock oder der gefältelte Rock einer Juppe, verbirgt sich ein wahres Raumwunder. Das Gelände, ca. 600 m2, hat ein Gefälle von ca. 30 cm. „Mit diesem Gefälle haben wir auch gearbeitet und das Haus auf einen Sockel gestellt. Der Sockel senkt sich im Inneren ab und bildet so Halbgeschoße. Der Wohnraum ist leicht versenkt. Das hat viele Effekte: klimatisch, aber auch die Privatsphäre betreffend. Der Zugang zum Haus erfolgt von Osten. „In Richtung Süden, zum Ried hin und zunächst aber auch zur Straße, bleiben wir offen. Das ist unsere Zutat, denn wir möchten das Haus mit seiner Schauseite nicht mit einer Garageneinfahrt oder anderen Gesten dieser Art verschließen. Wir öffnen uns zur Straße hin, trotz der hohen Verkehrsfrequenz, die untertags immer wieder entsteht, und spielen mit Niveaus, um unerwünschte Effekte dieses Betriebes gleich wieder zu entschärfen.“ Die Absenkung hat auch den Effekt, dass durch die Halbgeschoße die Wirtschaftsräume im Keller näher rücken. Das ist im Alltag praktisch und gibt der alltäglichen Arbeit auch einen schönen Wert. Die Sitzbank vor dem Haus wird ersetzt durch einen Einschnitt, der möbliert ist.
Im Inneren folgt das neue Gasthaus dem Prinzip alter Gasthäuser mit Stuben, in diesem Fall einer kleinen und großen, beide separat bespielbar, und einer Bar in der Mitte. Unkompliziert sollte alles sein, leicht überschaubar und gut handhabbar in der Kombination von Hotelbetrieb und Gastwirtschaft. Ersteres wird mit 15 Zimmern geführt, sieben pro Geschoß und ein 15., etwas größeres, im Dachgeschoß. Die Zimmer sind hell und freundlich gehalten, die Stuben in satten, dunklen Tönen. Die Wände wurden in Holz ausgeführt, an Dekoration bewusst gespart, dafür auf hochwertige Materialien und gute Ausführung geachtet. Die wenigen Elemente sind umso aufmerksamer gewählt: Tischwäsche, Besteck, Geschirr fügen sich ins Gesamtbild – alles ist einfach und sehr, sehr gut. Die Beleuchtung taucht den Raum abends in ein warmes Licht. An den Wänden hängen sorgsam ausgewählt und gut platziert Kunstwerke von Marco Spitzar, selbst einen „Johann“ gibt es hier.
Objekt EFH M – Unter Dach und Fach, Dornbirn
Architektur metzler.schelling Architekten ZT, Mitarbeit Clemens Hämmerle
Planung 2016-2018
Ausführung 01-10/2018
Grundstück 600 m²
Wohnnutzfläche 176 m²
Keller 55 m²
Bauweise Keller: WU-Beton gedämmt, Wände und Dach: Konstruktionslagenholz, Weichfaserplatten aufgedämmt, hinterlüftet,
ohne Folien, gesamter Holzbau in Fichte, Massivholzfenster Fichte, Möbelausbau in Fichte, Böden: Fichtendielen, Beton geschliffen
Besonderheiten Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit
Ausführung Baumeister: Reichart Bau, Donbirn; Zimmerer: Gerhard Bilgeri, Riefensberg; Fenster: Böhler Fenster, Wolfurt; Installationen: Fässler Wolfgang, Dornbirn; Tischler: Thomas Geser, Müselbach; Spengler: Rusch, Alberschwende; Schlosser: Peter Figer, Bezau Kalkglätte: David Ledetzky mit Gerold Ulrich, Thüringerberg
Energiekennwert (HWB) 46,2 kWh/m² im Jahr
Fotonachweis Adolf Bereuter