Struktur als Statement
Das mehr als 130 Jahre alte Stadthaus im Zentrum von Bregenz wurde vom ehemaligen Firmensitz eines Brennstoffhändlers zu einem Boutique-Hotel mit 13 Studios umgestaltet. Das Ergebnis verbindet historische Substanz mit zeitgemäßer Technologie, digitaler Gastfreundschaft und feinem Gespür für Atmosphäre. Um 1900 als Stadthaus errichtet, diente das Gebäude lange als Wohn- und Geschäftshaus.
Text Klaus Feldkircher · Fotos Angela Lamprecht


Jahrzehntelang prägte die Firma Lutz, Weber & Co. das Geschehen. Nach mehreren Sanierungen, zuletzt einer Fassadenmodernisierung in den 1970er-Jahren, wurde das Haus schließlich 2019 von Andreas Karg erworben. Der Großteil des Gebäudes stand leer, doch das Potenzial des Gebäudes war unverkennbar: zentrale Lage, solide Substanz, markanter Charakter. Nach einer Liegenschaftsbewertung und einem Bieterverfahren fiel der Startschuss: Innerhalb eines mehrjährigen Entwicklungsrahmens entstand die Vision eines digitalen Boutique-Hotels – eines Ortes, der Reisenden Komfort und Individualität bieten und gleichzeitig die Geschichte des Hauses weitertragen sollte. Ziel war es, so viel Originalsubstanz wie möglich zu erhalten und gleichzeitig auf modernste Standards bei Brandschutz, Energie und Digitalisierung zu setzen.

Architekt Claus Schnetzer überführte den Altbestand in eine zeitgemäße Struktur: Tragwände und Außenmauern blieben weitgehend erhalten, die Fassade wurde lediglich im Farbton angepasst. Im Inneren wurden Holzbalkendecken geöffnet, verstärkt und brandschutzverkleidet. Neue Heizungs-, Klima- und Stromleitungen verschwinden heute hinter maßgefertigten Brüstungselementen, die das ursprüngliche Raumgefühl bewahren. Die Bauzeit dauerte von Oktober 2024 bis Mai 2025 und war geprägt von Präzision, Geduld und 1300 Schrauben, die das neue Tragwerk sichern. Jedes der 13 Studios besitzt ein eigenes Farb- und Beleuchtungskonzept.


„Durch unser Konzept der digitalen Autonomie entsteht ein Höchstmaß an Privatsphäre und Flexibilität für den Gast. Der persönliche Kontakt, den ca. 10 Prozent unserer Gäste nutzen, ist möglich, aber optional.“
Andreas Karg
Bauherr
Martina Hladik entwickelte gemeinsam mit dem Team ein Interieur, das warme Materialien und klare Formen kombiniert: Eichenparkett, Vollholztüren, teilweise handgefertigte Möbel, Designerstoffe und Tapeten. Unterschiedliche Deckenhöhen, teils sichtbare Schieflagen und liebevoll gesetzte Details erzählen vom Charme des Altbaus. Die Bäder zeigen sich modern und großzügig, mit großflächigen Duschen und hochwertigen Armaturen. Zusätzlich ist in jedem Studio eine eigens entworfene Kücheneinheit integriert. Das Hotelkonzept folgt dem Trend zur digitalen Autonomie. Check-in und Check-out erfolgen per Code, ebenso die Türöffnung. Persönlicher Kontakt bleibt möglich, aber optional, etwa 10 Prozent der Gäste nutzen den Vor-Ort-Service, so Inhaber und Betreiber Andreas Karg.

Ergänzt wird das Konzept durch eine Honesty-Bar im Eingangsbereich: Getränke, Snacks und Gläser stehen bereit, abgerechnet wird digital über die Endrechnung. Mitten in der Bregenzer Innenstadt gelegen, erreicht man vom Hotel aus das Festspielhaus in sechs Minuten zu Fuß. Eine Hofzufahrt erleichtert das Ausladen, sechs Tiefgaragenplätze in der Nähe stehen zur Verfügung. Im Erdgeschoß befindet sich zudem ein öffentlicher Galerie-Raum: Wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen schlagen die Brücke zwischen Kunst, Architektur und Gastlichkeit. Ergänzt wird dieser Bereich durch ein modernes Büro- und Seminargestaltungskonzept, das die Idee des Hauses als hybriden Ort fortsetzt – Arbeiten, Wohnen, Begegnen.

Das Boutique-Hotel versteht sich als Gegenentwurf zum klassischen Beherbergungsbetrieb: ohne Rezeption, aber mit hoher Materialqualität, Flexibilität und Persönlichkeit. Die Zielgruppen sind Städtereisende, Geschäftsleute, Seminarteilnehmende und Langzeitgäste – Menschen, die Selbstbestimmung und Individualität schätzen. Die Transformation des historischen Stadthauses zeigt, wie sich Altbauten neu erfinden können: durch den sensiblen Erhalt ihrer Geschichte, den Mut zur Reduktion und den Einsatz
digitaler Technik. Das Ergebnis ist ein Ort, der Tradition und Moderne verbindet – ein Boutique-Hotel, das ebenso Arbeitsumgebung wie Wohnraum sein kann.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Hotel Studio 17, Bregenz
Bauherr: M17 GmbH
Architektur: Claus Schnetzer sowie Eigenplanung
Planung: 2020–2024
Ausführung: Oktober 2024–Mai 2025
Grundstück: 366 m²
Nutzfläche: 690 m²
