Der Umbau der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz steht
als Sanierungsprojekt für eine Bauaufgabe, die zukünftig zunehmend
an Bedeutung gewinnt. Nachdem unsere Städte und Dörfer heute weitgehend
gebaut sind und es wichtiger wird, möglichst keine neuen Flächen zu verbrauchen
und zu versiegeln, sondern vorrangig im Bestand weiterzubauen,
wird in den nächsten Jahren die Sanierung gegenüber dem Neubau
eher der Normalfall als der Sonderfall sein.

Text: Robert Temel | Fotos: Gustav Willeit

Am äußersten Siedlungsrand der Stadt Bregenz und am Hang des Gebhardsbergs oberhalb der Innenstadt befindet sich die Vorarlberger Landesbibliothek. Das Architekturbüro Ludescher + Lutz Architekten aus Bregenz hat den Bestand nun neu strukturiert, den Zugang deutlich attraktiver und funktionaler gemacht, die Publikumsräume adaptiert und das Potenzial für zukünftige Erweiterungen geschaffen.

Wenn man sich von unten nähert, sieht der imposante Bau wie ein Gymnasium oder ein altösterreichisches Verwaltungsgebäude aus, er wurde jedoch als Kloster errichtet. Der „Geniu loci“ also die besonderen Merkmale des Ortes, reichen in beinahe mythische Zeiten zurück, hier befand sich wohl eine der ältesten klösterlichen Niederlassungen Mitteleuropas, begründet von irischen Mönchen im 7. Jahrhundert. An dieser Stelle stand seit dem 14. Jahrhundert die Burg Babenwohl, Anfang des 20. Jahrhunderts siedelte sich das Benediktinerkloster St. Gallus an, das ein Konglomerat an Gebäuden dazubaute, vom Wohntrakt bis zum Kirchenbau. In der Nazizeit eine landwirtschaftliche Schule, wurde aus dem Bau nach dem Zweiten Weltkrieg ein Mädchengymnasium, bis in den 1980er-Jahren die Mönche das Areal verließen. Genau hier, an diesem für eine Landesbibliothek etwas ungewöhnlichen Ort, außerhalb des Zentrums in wunderbarer Lage, verortete das Land die damals neu gegründete Bibliothek.

Die Architekten begannen damit, das Ensemble städtebaulich neu zu gliedern, sodass man für weitere Entwicklungen gewappnet ist. Die jetzigen Maßnahmen umfassen nur Teile der Anlage. Nicht zuletzt durch das Entfernen eines Verbindungstrakts aus den 1980er-Jahren zwischen Kloster und Burg konnte als Potenzial eine zukünftige Erweiterung um einen Archivtrakt hinter den Bestandsbauten vorgesehen werden, der einen neuen Hof bilden könnte. Ein solcher Neubau würde es möglicherweise erlauben, die Bestände an diesem Ort zu versammeln. Ob und wann dieses Potenzial eingelöst werden soll, wird sich zeigen. Der neue Eingang liegt nun an der optimalen Stelle, im Risalit, dem vorspringenden Gebäudeteil in der Mitte des Klostertrakts, wo man ihn bei einem solchen Bau ohnehin vermuten würde. Bisher war der Haupteingang direkt an der Straße, vom Nordostende der langen Gebäudereihe und nicht vom davorliegenden Garten aus.

„Wir wollten an diesem besonderen, einmaligen Ort ein Gefühl
von Zeitlosigkeit und Gleichzeitigkeit erzeugen,
indem wir die Materialien für sich wirken lassen und
mit zeitgemäßer Technik kombinieren.“

Philip Lutz
Architekt

Nun geht man durch diesen Garten und über eine neue, breite Freitreppe auf eine Sichtbetonwand mit drei Bogentoren zu, die vor das Bestandsgebäude gestellt wurde. Das bringt den Zugang dorthin, wo man ihn als unwissender Besucher suchen würde; es verbindet das Gebäudeinnere organisch mit dem schönen Garten davor; und es erlaubt eine wesentlich bessere innere Erschließung von der Mitte der Gebäudereihe aus. Früher lag hier das Refektorium, in den 1980er- Jahren der Lesesaal – und nun die helle Eingangshalle, die als Verteiler in alle Bereiche der Bibliothek dient: in den neuen, zentralen Servicebereich, in den „Kuppelsaal“ der Bibliothek, die ehemalige Kirche, die einen Großteil der Regale enthält und in den 1980er-Jahren gestaltet worden war, aber ebenso in die alte Stiftsbibliothek und zum Stiegenhaus. Die ehemalige Burg enthält nun die Verwaltungsräume, die mit einem unterirdischen Verbindungsgang und Lift an die Bibliotheksräume angebunden sind.

Materialität und Atmosphäre der neuen Innenräume werden von Terrazzoböden und Regalen aus Eiche bestimmt und orientieren sich an der Stiftsbibliothek, die hundert Jahre alt ist, sie bieten einerseits zeitgenössischen Ausdruck und andererseits den Bezug zum historischen Kontext. Während im Erdgeschoß der neue Eingang und die Großzügigkeit des Foyers die Neugestaltung ausmachen, ging es im ersten Obergeschoß um die Verbesserung der Nutzbarkeit. Hier befinden sich Gruppenräume, die für gemeinsames Lernen und Recherchieren unkompliziert gemietet werden können. In der Gebäudemitte liegt der neue Lesesaal, der in beengte Raumverhältnisse und vor allem eine niedrige Geschoßhöhe integriert werden musste. Der Saal wird optisch erhöht durch eine spiegelnde Decke, deren Umsetzung im schwierigen Raumbestand sich als höchst aufwendig erwies. Umso lohnender ist das Resultat, ein wunderbar warmer, trotz geringer Höhe luftiger Raum mit den Präsentationsregalen für Zeitschriften in Eiche rundum.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Umbau Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz
Bauherr Land Vorarlberg
Architektur Ludescher + Lutz Architekten, Bregenz, www.ludescherlutz.at
Statik Gaisberger ZT, Dornbirn, www.zt-gaisberger.at
Fachplanung Archäologie: ARDIS, Innsbruck; Infrastruktur: Rudhardt/Gasser/Pfefferkorn, Bregenz; Bauphysik: Lothar Künz, Hard; Garten: Eugen Sturmlechner, Bregenz; Brandschutz: K&M, Lochau; Klima: Marte Diem, Bregenz; Elektro: Renè Fröhle, Schlins; Bundesdenkmalamt Vorarlberg
Planung 03/2019–09/2020
Ausführung 09/2020–11/2021
Nutzfläche 600 m² (Umbau)
Ausführung Möbel: Lenz-Nenning, Dornbirn; Fenster, Türen: Hartmann, Nenzing und Ammann, Göfis; Terrazzo: Lerbscher, Hard; Geschnitzt Tür: Raimund Löhr, Rengersweiler; Heizung, Sanitär: Wolfgang Boch, Hörbranz; Lüftung: Hörburger, Altach; Elektro: Pircher, Bregenz & EGD, Dornbirn; Spengler: Vonbank, Hard; Estrich: Küng, Thüringen; Schlosser: Harald Simeoni, Andelsbuch; Fliesen: Bad 2000, Nüziders; Verputz: Steurer, Höchst; Trockenbau: Formart, Lauterach; Abbruch: Moosbrugger, Lauterach; Maler: PG, Höchst
Baukosten 3,3 Mill. Euro