Wohnen in zweiter Reihe
Schwarz und rot lasiert sind die Holzfassaden der dreigeschoßigen Wohnbauten, die im neuen Hohenemser Rathausquartier am Übergang zum öffentlichen Park der Rosenthalvilla stehen. Die großzügigen Loggien und Balkonterrassen zum Innenhof erweitern die ein- oder zweigeschoßigen Wohnräume, farbige Geländer und bunte Markisen machen die Gliederung der Gebäude ablesbar und schaffen eine freundliche Atmosphäre.
Text Katinka Corts · Fotos Roland Wehinger

Der große Park der Hohenemser Rosenthalvilla war als privater, ummauerter Bereich weit über 100 Jahre ein prägender Ort in der Gemeinde. Mit dem Kauf des Areals durch Investoren und die Weiterentwicklung des gesamten Gebiets zum städtischen, öffentlichen Raum, verändert sich das Ortsbild nun deutlich. In einem kooperativen Planungsverfahren mit mehreren Architekturbüros entstanden Ideen dazu, wie das Areal bebaut werden kann. Prägender Hochpunkt ist heute das neue Rathaus an der Vorarlberger Straße, die historische Villa wird vom Literaturhaus und weiteren öffentlichen Nutzungen gefüllt und neue Mischbauten mit Wohn- und Gewerbeflächen ergänzen die Arealentwicklung.


Zwei dieser neuen Wohnbauten sind vom Schwarzacher Büro HK Architekten entworfen worden: Einer schließt mit schmalem Abstand an die Stallungen der Villa an und säumt die zentrale Erschließung des Areals, der zweite ist als freier Riegel senkrecht dazu positioniert. Doch was nach außen als zwei Baukörper erscheint, sind in der Typologie zwei beziehungsweise drei direkt aneinandergesetzte Einzelhäuser mit separaten, erhöhten Eingängen. Erschlossen werden sie direkt vom öffentlichen Raum aus. “Wir wollten weg vom immer wieder gleichen horizontalen Stapeln von Wohnungen“, erläutert Architekt Thomas Fußenegger. „Das Konzept des vertikalen Wohnens kennt man sonst eher aus den Niederlanden oder dem angelsächsischen Raum. In Vorarlberg galt dies bisher gemeinhin als zu teuer oder zu schwierig in der Vermarktung.“

„Wir nehmen Bezug auf die historischen Gebäude in der Marktgasse: Die feine, vertikale Struktur, die sich mit den profilierten Holzleisten ergibt, schafft eine Brücke zwischen der haptischen Qualität von Holz und der Optik von Putz.“
Thomas Fußenegger
Architektur

Die Gebäude umschließen einen großzügigen begrünten Spielhof, der von Anwohnern und Besuchenden genutzt wird. Eine Mauer, die ursprünglich eine klare Grenze war, ist nun durchbrochen. Der im Gebäude integrierte öffentliche Garagenzugang erinnert noch an den ursprünglichen Zugang zum Privatgarten. Die Wohnungen des kleineren Gebäudes haben ihre Zugänge vom Innenhof aus, während die Eingänge zum Winkelbau am gepflasterten Hauptweg liegen. Nur eines der fünf Gebäude hat einen Aufzug und einen direkten Zugang in die Untergeschoße über das Treppenhaus. Im Erdgeschoß befinden sich kleinere Zwei- bis Dreizimmerwohnungen, die oberen beiden Etagen sind zu ineinander verschachtelten Maisonettewohnungen verbunden. Alle Wohnungen im Haus sind beidseitig orientiert, womit die Bewohnerinnen und Bewohner sowohl in den Spielgarten, als auch zum neu gestalteten Villenpark blicken können. Jede Wohnung hat eine eigene Loggia, jene im Erdgeschoß haben zudem einen Abgang zum Innenhof.

Wie in der Marktstraße zu sehen, sind im Ortsbild von Hohenems immer wieder steinerne Häuser in der ersten Reihe und Holzgebäude in der zweiten zu finden. Diese lokale Bautradition und -typologie ist heute auch auf dem Rathausareal zu sehen: Zur Straße hin sind massive, verputzte Gebäude als klare Volumen entstanden, in Richtung der Villa wird die Architektursprache der Holzbauten weicher. HK Architekten erstellten jedoch keinen reinen Holzbau, sondern einen Hybrid mit Betondecken und Holzwandelementen. In dem klaren Konstruktionsraster führt die Maisonette-Typologie zu Versprüngen im Grundriss und damit auch zu einer verschachtelten Anordnung der eingeschnittenen Loggien.


„Gemeinsam mit den anderen Architekten haben wir ein Farbkonzept für das ganze Areal entwickelt“, so Fußenegger. »Die abgestimmte Farbgebung integriert alle Bauten miteinander harmonisch auf dem Areal, die Holzbauten werden nicht als gegensätzlich wahrgenommen.« Im Kontrast zum farbig lasierten Holz findet sich naturbelassenes Tannenholz in den Auskleidungen und Deckenuntersichten der Loggien, was ihnen einen sehr wohnlichen Charakter gibt. Dieser entsteht mit dem Parkettboden auch in den Wohnungen, die ansonsten schlicht weiß gehalten sind. Räumlich interessant ist die Abfolge der Zimmer, die mal großzügig und hell sind, mal eher als kleinere Rückzugsbereiche wahrgenommen werden. In der Praxis beweisen muss sich noch, wie gut die Trennung der privaten Erdgeschoßbalkone von dem direkt vorgelagerten halböffentlichen Innenhof gelingt. Aktuell haben die Planer eine sitzhohe Betonbarriere zwischen diese Zonen gesetzt – ob dieser Hinweis stark genug ist, wird sich zeigen.
Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Rathaus Quartier B1 + B2
Bauherr: Villa Rosenthal GmbH
Architektur: HK Architekten, Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH, www.hkarchitekten.at
Statik: Kofler Baustatik GmbH, Götzis
Planung: Juni 2020 – März 2024
Ausführung: Juli 7 2022 – April 2025
Wohnnutzfläche: 3280,3 m²
Energiekennwert: 31 kWh/m² im Jahr (HWB)
Fachplanung:
Bauphysik: Hafner Weithas Bauphysik GmbH, Lauterach; Brandschutz: K&M Brandschutztechnik GmbH, Lochau;
Elektro: Licht- und Elektroplanung Hecht GMbH, Rankweil; HLS-Planung: E-Plus
Planungsteam GmbH, Egg; Freiraumplaner: Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich