Die Bauherren bekamen das sattelbedachte „Oma-Haus“ im niederösterreichischen Gerasdorf geschenkt. Als letztes in einer Sackgasse hat es im Westen und Norden nur Felder vor sich. Das Paar liebt diesen weiten Horizont. Es wollte das Haus erhalten, aber nicht in finsteren Zimmerchen ohne Bezug zur Landschaft leben. Der aus Vorarlberg stammende Architekt Juri Troy sollte es „so umbauen, dass man es nicht mehr erkennt“. Nun hat es eine Holzfassade aus Weißtanne, ein Flachdach, großzügige Räume und einen Zubau mit Loggia.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Juri Troy, Isabella Marboe

Knapp sechs Kilometer trennen die Wiener Großfeldsiedlung von Gerasdorf, eine 10.000-Seelen-Gemeinde im niederösterreichischen Marchfeld. Dort hatten die Großeltern des Bauherrn in einer Sackgasse ihr Haus errichtet. Eine Baumeisterplanung der 1970er. Solide gemauert, ein fast quadratischer Grundriss, darüber ein flaches Satteldach. Im Süden die Straße, der Eingang ums Eck im Osten, im Norden und Westen nichts als Felder, ausgerechnet dort stand die Garage.

„Die größte Herausforderung an diesem Haus war, dass es völlig falsch am Grundstück stand. Es hat einen eigenartigen Abstand von der Straße, der Eingang liegt ums Eck, die Garage auf der anderen Seite und verstellt den Blick zum Spargelfeld.“ Das war leicht zu ändern: der neue Carport steht nun am südöstlichen Eck, gleich an der Straße. Der schlichte Lattenzaun, zwischen und über dem der blühende Bauerngarten hervorblitzt, bildet die erste Schicht ums Haus, er weist den Weg zum Eingang und trägt das Flachdach des Carports.

„Altbestand speichert sehr viel graue Energie.
Thermische Sanierung, Um- und Ausbau sind eine Bauaufgabe der Zukunft.
Gute Referenzprojekte sind der stärkste Motor,
diese Entwicklung voranzutreiben.“

Juri Troy
Architekt

Schon in dieser kurzen Sequenz klingen alle wesentlichen Themen an: Der Umbau hat ein Flachdach, ist geradlinig, schlicht, aus Holz und ergänzt alles, was dem Bestand fehlt, durch Zubauten. Der massive Kern wurde mit einer holzfasergedämmten Fassade aus unbehandelter Weißtanne neu eingekleidet. Es gibt mehr und größere Fenster, die von Metallrahmen zusammengefasst sind. Die beschattenden Schiebeläden sind perforiert, eine Reminiszenz an die Löcher in der Ziegelmauer der schönen, alten Scheune, die bis vor Kurzem noch auf der anderen Straßenseite stand.

Alt und neu ergänzen einander perfekt. Innen erzeugt wolkiger Lehmkalkputz an den Bestandswänden eine warme Atmosphäre. Er harmoniert wunderbar mit der lasierten Eiche am Boden und der Weißtanne der Möbel und Fensterrahmen. Viele Zwischenwände wurden entfernt, die Räume für Konzentration und Ruhe befinden sich im straßenseitigen Teil des Hauses. Im Osten das Homeoffice, von der Badewanne und dem anschließenden Schlafzimmer sieht man auf die Felder, die im Westen bis an den Horizont reichen. Der massiv gemauerte Bestand speichert die Temperatur lang, im Sommer ist es angenehm kühl.

Der anschließende Wohnraum bildet den Auftakt zum lichtdurchfluteten, kommunikativen Teil des Hauses. Das breite Fenster im Westen wirkt wie das belebte Gemälde eines flämischen Meisters. Es ändert sich mit jedem Wetter, hin und wieder hoppeln Hasen, Fasane und Rehe durchs Bild. Die Bauherrin sitzt auch sehr gern in der tiefen Lesenische im Norden. Beide Fenster ziehen das Feldpanorama quasi ums Eck ins Haus. Drei Stufen unter Bestandsniveau liegt die angrenzende Wohnküche im 3,50 Meter hohen neuen Zubau. Er ist die Antithese zum alten Haus: komplett aus Holz und im Osten und Westen voll verglast. So wandert die Sonne von morgens bis abends durch den Raum, auch im Norden und Süden gibt es Fenster. Troy entwarf auch das Mobiliar: Schrankwände aus Weißtanne, auf der steinernen Arbeitsplatte des freistehenden Herdblocks kann man das Kochen zelebrieren. Im Westen ist dem Raum eine tiefe Loggia vorgelagert, sogar die drei Stufen in den Garten sind beliebte Sitzgelegenheiten – die im Westen zum Plaudern bei der Loggia, die im Osten für den Morgenkaffee.

Objekt: Umbau Einfamilienhaus Gerasdorf

Architektur: juri troy architects, Wien, www.juritroy.com

Statik: DouING ZT-SV, Weitersfeld (NÖ), www.douing.at

Fachplanung: Bauphysik, Energieausweis: Vera Korab ZT, Wien; Bauleitung: M2 Architekten, Wien

Planung: 04/2019–10/2021

Ausführung: 04/2021–05/2022

Grundstück: 1016 m²

Nutzfläche: 143 m² (zzgl. Keller 104 m²)

Bauweise: Bestand Ziegel massiv; Zubau: Brettsperrholzelemente mit Weißtannendeckschicht; Heizung: Grundwasserwärmepumpe

Besonderheiten: Thermische Sanierung und Zubau

Ausführung: Baumeister: AXLBAU, Wien; Zimmerer: Ludwig Pöll, Dürnkrut (NÖ); Fenster: Josko, Kopfing (OÖ); Möbel/Türen: Kattun, Sankt Martin an der Raab (BGLD); Böden: Admonter, Admont (STMK)

Energiekennwert: 47,34 kWh/m² im Jahr (HWB)

Baukosten: CHF 1,8 Mio.