Im Jahr 2004 begannen Dorner und Matt ein bedrückend dunkelbraunes, rustikales Haus vom natursteinvermauerten Keller über drei Geschoße in ein großzügiges, modernes Wohnloft mit Rundumblick zu verwandeln. Nun gab ihm ein raffinierter Dachaufbau den letzten Schliff. Der lichtdurchflutete Raum unter dem erhabenen Pultdach mit fulminanter Weitsicht dient der Baufrau als Atelier, hinter Schiebewänden liegt ihr Privatbereich mit Bad und Dachterrasse. Die Verwandlung ist vollkommen.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Stefan Hauer / Gerhard Klocker

Dezent Die Straße liegt im Osten: Hier lässt ein Oberlichtband die Morgensonne durch den Raum fluten, das Fensterband darunter bietet der Werkband im Atelier optimale Lichtverhältnisse.
Wundersame Verwandlung: Einen muffigen Bestand aus den 1970ern verwandelten Dorner und Matt in ein Haus von schwebender Eleganz. Ein neuer Dachaufbau setzt ihm die Krönung auf.

Kehlegg ist einzigartig: Dort hat man einen spektakulären Blick auf das Rheintal bis zum Bodensee. Es ist völlig ruhig, der Wald gleich nebenan. Hier wurde in den 1970ern ein Haus mit vorstehendem Satteldach und Balkon im Tiroler Stil errichtet. Den Garten, der in abgetreppten Plateaus dem Hang folgt, betritt man vom Keller aus. Baufrau Ilona Drozdzik ist Modedesignerin. In Dornbirn geboren, ging sie als junge Frau nach New York. Dort kam ihre schlichte Mode mit den raffinierten Details bestens an. Nach Jahren im Big Apple sehnte sie sich nach ihren Wurzeln. „Meine Eltern leben noch, ich bin in Dornbirn aufgewachsen. Man kann wandern, Skitouren machen und hat die Natur vor der Haustür“, so Drozdzik. „Es ist eine andere Form von Unabhängigkeit.“

vielschichtig Dem Garten wendet der neue Dachaubau bei im Süden eine riesige, dreieckige Verglasung zu. Sie steigt bis auf 5,50 Meter an und bietet eine fulminante Weitsicht.
Maximaler Lichteinfall und Aussicht: An diesem Raumeck treffen der Hochpunkt der Glasfassade im Süden und das Oberlichtband aufeinander. Einen Lüftungsflügel gibt es auch.

Zürich als Flugdrehscheibe zur Welt ist auch nicht weit. Die Lage des Hauses war für sie ideal, seine aufgesetzte Rustikalität nicht. „Unser Ziel war, die Grundsubstanz freizulegen und dem Haus ein modernes Erscheinungsbild zu geben,“ so Architekt Markus Dorner. 2004 begann die Verwandlung zum erhebend hellen Refugium. „Zuerst verwirklichte Markus diesen riesigen Schacht, der das Licht bis in den Keller bringt und die neue, luftige Treppe bis zur Wohnebene begleitet“, so Drozdzik. Diese filigrane Stiege windet sich um ein vielseitiges Möbel aus schwarzen Holzfaserplatten, das vom Hängeschrank im Untergeschoß zum Regal in der Küche mutiert. „Den Lichtschacht zu bauen, war eine brachiale Aktion, wir sind schon im Felsen“, sagt Dorner.

Hanglage Im Garten zeigt das Haus sein ganzes Volumen. Der Natursteinsockel im Keller wird demnächst verputzt: Dann ist die Verwandlung zum weißen Haus vollkommen.

Das Stiegenelement verbindet drei Geschoße, ändert die Gehrichtung und bietet dabei Blicke nach draußen. Wie es funktioniert, war für die Bauherren ein großes Erstaunen. „Wir hatten eine Riesenfreude damit“, bestätigt Drozdzik. Alle wesentlichen Entscheidungen traf sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem New Yorker Schriftsteller Jack Barschi. Sein Resümee: „Eine Renovierung wird zur Transformation, wenn ein Haus mit dunklen, kleinen Räumen sich zum Heim öffnet, in dem architektonische Linien vertikal und horizontal fließen, um eine unfassbare Vielfalt an Raum freizulegen“.

„Unser Ziel war,
die Grundsubstanz
freizulegen und dem Haus unter
Berücksichtigung der besonderen
Topografie ein modernes Erscheinungsbild zu geben.“

Markus Dorner
Architekt

Nur das Dach hockte noch als dunkelbrauner Fremdkörper auf dem neuen Sockel. 2018 entschied die Baufrau, die Transformation fortzusetzen. „Nach 15 Jahren ersetzten wir in einer zweiten Etappe endlich das alte Dach durch ein Atelierloft“, so Dorner. Schreitet man die einläufige Holzstiege zwischen zwei weißen Wandscheiben zum neuen Dachaufbau hinauf, taucht man in einen lichtdurchfluteten Raum, der völlig überraschende Perspektiven eröffnet. Die weiße Kaminwand in der Mitte scheint kompakt die Materiali-tät zu bündeln. Zur Rechten ein Balkon, daneben neigt sich eine schräge Dachfläche bergend bis zur gegenüberliegenden Raumgrenze. Einzig ein langes, niederes, weißes Schrankmöbel hindert sie daran, am Boden aufzusetzen. Sie ist mit dem gleichen Parkett verkleidet wie der Boden und steigt in die Gegenrichtung nach Osten auf fulminante 5,50 Meter an. Die südseitige Außenwand wird im Prinzip von einer riesigen, dreieckigen Glaswand gebildet: Es ist, als flöge man über die Landschaft. An einem nebeligen Tag verwandelt sich das Rheintal hier unter einer weltentrückenden Nebeldecke in eine Illusion von Japan.

Überraschungsmoment: Oben angekommen, findet man sich plötzlich in einem lichtdurfluteten, hohen Raum wieder, dessen schräge Dachfläche kontinuierlich ansteigt.
Raffinierte Raumregie: Eine steile Holztreppe führt zwischen zwei weißen Wandscheiben in den neuen Dachaufbau.
Innen zeigt sich die Straßen-ansicht ganz anders, als erwartet. Die lange Werkbank, die hier elegant am Fensterband entlang gleitet, bietet allen gleichmäßig perfektes Atelierlicht und genug Platz für Sekretariatsarbeit, Stoffe und Muster.
Hier paart sich Schönheit mit Funktionalität: Die weiße Werkbank mündet ins Badezimmer der Baufrau, auf dem umlaufenden Stauraummöbel kann man auch sitzen und das Panorama genießen.

Der Raum erscheint abstrakt luftig. „Konstruktiv handelt es sich um einen vorgefertigten Holzbau, die Materialwahl war alternativlos“, so Dorner. Die Fassade ist – in Anlehnung an den Bestand – verputzt. „Die alte Traufkante durfte nicht verändert werden, also schnitten wir ein abgetrepptes Volumen ein.“ Der besondere Clou ist, dass das Sheddach nicht das ganze Geschoß bedeckt. Es schließt im Osten mit einem geraden Oberlichtstreifen ab, der das Atelier mit Morgenlicht von oben flutet. Hier weitet sich der Dachraum noch zu einem niederen, flach gedecken Volumen aus: Es bildet einen inti-meren Raumbereich entlang der gesamten Ostseite. Ein schmales Fensterband bietet der durchgehenden Werkbank perfektes Atelierlicht. Das anschließende dreieckige Panoramafenster wird von einem Sitz- und Schubladenmöbel flankiert, das über Eck im Westen unter der Dachneigung optimal als Stauraum zu nutzen ist. Die Nordseite ist komplett geschlossen: Hier befindet sich der Privatbereich der Bauherrin, der Japanische Ahorn auf ihrem Balkon erhascht noch einen Rest Abendsonne, das Waschbecken im Bad steht auf der Werkbank, weiße Schiebetüren steuern den flexiblen Übergang zum Atelier. Die Verwandlung ist vollendet.

Daten & Fakten

Objekt Dachaufbau Drozdzik, Kehlegg, Dornbirn

Bauherr Ilona Drozdzik

Objekt Dorner\Matt\Architekten, Bregenz www.dorner-matt.at

Statik Mader Flatz, Bregenz

Planung 2017

Ausführung 03/2018 – 12/2018

Nutzfläche ca.120 m²

Bauweise Gebäudehülle: Vorgefertigte Wand- und Dachelemente in Holzriegelbauweise; Dämmung mit Zellulose; Fassade: Holzweichfaser verputzt; Holzfenster: Weißtanne geölt; Dachsystem: Blechdach mit innenliegenden Rinnen; Innenverkleidung mit Gipskarton bzw. Eichendielen an Boden und Decke

Ausführung Generalunternehmen: Berchtold Holzbau, Wolfurt

Energiekennwert 33 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis Titel, S. 3, S. 5 und S. 6: Gerhard Klocker; alle übrigen: Stefan Hauer

Die Untersicht des Sheddachs ist mit demselben Parkett verkleidet wie der Boden. Man fühlt sich geborgen.