Die jüngste Stadt Vorarlbergs hat eine lange Geschichte.
Wichtiger Teil dieser Geschichte ist die Jüdische Gemeinde,
die sich auch im Stadtbild und durch Bauwerke zeigt.
Ein bürgerliches Stadthaus im Jüdischen Viertel ist
nach seiner Revitalisierung nun offen für Gäste.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Martin Mischkulnig, Eva Rauch

Anfang des 17. Jahrhunderts hat Kaspar von Hohenems als Reichsgraf die Grundlage für die Ansiedlung jüdischer Familien in Hohenems gelegt. Er tat dies durch einen Schutzbrief und wollte dadurch die Belebung des Marktes durch jüdische Händler bewirken. Es entwickelte sich eine jüdische Gemeinde – mit Synagoge, Schule, Friedhof, Alters- und Armenhaus und einem Ritualbad. Die Gemeinde war bereits im 17. Jahrhundert Vertreibungen und Angriffen ausgesetzt, wuchs aber dennoch und erreichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren demografischen Höhepunkt. Viele wanderten jedoch auch ab, denn die österreichischen Staatsgrundgesetze von 1867, die der jüdischen Bevölkerung endlich rechtliche Gleichstellung brachten und freie Wahl des Wohnortes ermöglichten, brachten es auch mit sich, dass viele in größere Städte zogen. Im Jahr 1935 zählte die Gemeinde nur noch 16 Mitglieder. 1940 wurde sie unter Zwang aufgelöst und die letzten Juden der Stadt wurden in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.

Das einfache Bürgerhaus ist eingebettet in das Gefüge der Stadt. Die Hinteransicht lässt die kleinteilige Struktur des Hauses erahnen.
Eine Terrasse im ersten Stock gibt den Blick frei auf den Stadtraum von Hohenems mit seinen Gassen und Plätzen.

Die Geschichte der Stadt zeigt sich auch in ihrer Stadtgeschichte, in ihren Straßen und Häusern. So prägten zwei Straßen das Bild der Stadt Hohenems – die Christengasse und die Judengasse, auch Israelitengasse. Das Leben in Hohenems war vielschichtig. Es gab sowohl reiche Kaufleute wie einfache Handwerker, vermögende Fabrikanten wie arme Hausierer. Das spiegelte sich auch im Bild der Stadt wider. Das Jüdische Viertel heute ist ein Vermächtnis dieser Zeit, aber auch ein Ausdruck für das Hohenems von heute und des Umgangs seiner Bewohner(innen) mit Geschichte und Gegenwart. Inmitten des Viertels ist heute das Jüdische Museum ein Ankerpunkt – als kultivierter, offener, liebevoller Ort mit Ausstellungen, Bibliothek und einem gemütlichen Café.

Auch Spuren der Zeit haben ihren Charme. Zur gefühlten Vergrößerung der Räume wurden Türen entnommen und viel mit Licht und Farbe gearbeitet.
„Wichtig war uns ein sensibler Umgang
mit Stadt und Stadtgeschichte.“

Dieter Klammer
architektur.terminal hackl klammer, Architekt

Unweit des Museums entstand nun nach kurzer Renovierungszeit ein offenes Haus für Gäste auf Zeit. Das Haus in der heutigen Jakob-Hannibal-Straße wurde vor drei Jahren von Angelika und Stefan Werle privat erworben. Es ist eines der Bürgerhäuser dieser Zeit mit Grundfesten noch aus dem 16. Jahrhundert. Die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner(innen) ist lückenhaft dokumentiert. „Es war ein eher einfaches Haus, kein nobles, aber dennoch ein Bürgerhaus“, beschreibt der mit der Sanierung beauftragte Architekt Dieter Klammer den Charakter des Bauwerks. 1993 wurde es vom Denkmalamt unter Schutz gestellt, als Teil eines Ensembles, um der Stadt diese wichtige Spur in die eigene Geschichte zu bewahren.

Die Sanierung folgte dem Prinzip offenlegen, bewahren, gestalten. Dabei wurde die bauliche Substanz erhalten. Was noch verwendet werden konnte, blieb.
Das Küchenfenster als historischer Kühlschrank. Mittlerweile ein gemütlicher Ort für den Morgenkaffee.

„Der Urspungsbau stammt in seiner heutigen Gestalt von ca. 1830, die Fassade aus den 1950er Jahren“, erzählt Dieter Klammer. „Das Haus ist dreigeschoßig, war immer als Wohnhaus konzipiert, was sich auch im Inneren zeigt, und wurde in der Reihe der andern Häuser leicht zurückversetzt. Dadurch entstand auch ein kleiner Vorgarten. Wir haben all das genommen und so wenig wie möglich verändert. Ein Glück war die Bestandssicherung durch den ehemaligen Eigentümer.“ Dabei folgte das Team von architektur.terminal einem wichtigen Grundsatz im Umgang mit baulichem Erbe, das denkmalgeschützt ist: nicht so tun also ob. Zubauten, Erneuerungen bleiben sichtbar, das Neue und das Alte ergänzen sich. Auch die Wunden der Zeit dürfen sichtbar bleiben. Funktionale Zugaben, die eine weitere Verwendung ermöglichen, waren kein Problem. „Die innere Struktur des Hauses wurde kaum angerührt, mit wenigen Ausnahmen etwa im Eingangsbereich. Das war auch für die neue Nutzung sinnvoll. Die Wohnungen haben eine optimale Größe, sind aber sehr niedrig. Mit der Entnahme von Türen konnten die Räume optisch vergrößert werden. Wände und Decken blieben unangetastet, was auch eine Vorgabe war.“

Die Täfelungen im Haus bleiben bestehen und verleihen dem Haus historischen Charme.
Schlichte Eleganz durch hellgraue Töne, kombiniert mit ausgesuchten Möbeln in allen Räumen.
Zeitgenössischer Dachausbau. Der bestehende Ausbau wurde durch neue Einbauten ergänzt und ist der modernste Teil des Hauses, nicht nur in seiner Einrichtung, vor allem in seiner Struktur als Einzimmerwohnung.

Die kleinen Wohnungen, die von der Familie auf Zeit vermietet werden als Ferienwohnungen oder für temporäre Aufenthalte, folgen jeweils einem anderen Ausdruck. „Auch hier sind wir dem Bestand gefolgt, denn die Ausbauten kommen aus unterschiedlichen Zeiten. So haben wir den alten Täfer erhalten und viele andere Details. Bei der Ausstattung, der Wahl der Beleuchtungsmittel, Farben sind wir diesem Ausdruck gefolgt und haben ergänzt. Küchen und Bäder sind mit Möbeln, also mit mobilen Teilen, ausgestattet und diese im Kontrast eher reduziert und zeitgenössisch gehalten. Die Bäder, die sehr klein sind, haben wir praktisch, dafür in der Gestaltung etwas stärker ausformuliert. Die Möblierung stammt von den Bauherren, die einen großen Fundus an Möbeln hatten. Das hat sich glücklich gefügt.“

Eine glückliche Fügung für die Stadt ist auch die Bauherrschaft dieses Projektes selbst, denn die Revitalisierung zeugt von einem sensiblen Umgang mit dem Bestand und einem Verständnis für Stadtgeschichte. Das Haus als Baustein eines Ensembles, von Stadt und Stadtgeschichte hat durch die neuen Eigentümer eine Stabilisierung, aber auch eine gute zwischenzeitliche Verwendung gefunden, um seine Geschichte weiterschreiben zu können. Und Gäste finden einen charmanten Ort, um sich hier auf Zeit aufzuhalten. der Stadt und der Region

Die Badezimmer sind auf das Notwendige reduziert, dafür mit gestalterischen Akzenten – etwa einem blauen Mosaik – ausgestattet.

Daten & Fakten

Objekt Guest House JH4, Jakob Hannibal Straße 4, Hohenems

Bauherren JH4 GmbH, Angelika und Stefan Werle

Architektur architektur.terminal hackl und klammer, www.architekturterminal.at inkl. Farbkonzept, Beleuchtungskonzept, Möblierung

Planung 2/2019–9/2019

Ausführung 5/2019–10/2019

Grundstücksgröße 130 m²

Wohnnutzfläche 80 m² (4 Geschoßwohnungen/Appartements)

Eingang und Keller 35 m²

Bauweise Grundmauern 16. Jahrhundert, erhaltener Bestandsbau ca. 1830, Keller und Erdgeschoß Mauerwerk, Obergeschoße Holzstrick und Holzbalkendecken, Dachausbau Holzbauweise

Besonderheiten Denkmalschutz in Abstimmung mit BDA, Ausführung mit hohem Eigenleistungsanteil

Ausführende u. a. Installationen: Westo Installationen GmbH; Elektrik: Gerd Dreier Elektrotechnik, Spengler, Dachdecker: Peter GesmbH; Schlosserarbeiten: m+s Metalltechnik GmbH; Verputz: Christian Woller / Romana Gstrein; Trockenbau: TMF Wand- und Deckensysteme Gmbh; Bauitischlerarbeiten: Tischlerei Andreas Walch; Malarbeiten: Malermeister Schwärzler; Boden: René Bechtold GmbH; Fliesen: Bad 2000 GmbH