Während einer mehrmonatigen Reise durch China, Kambodscha und Laos lernten Nesida und Thomas Kuster asiatische Architektur kennen und schätzen. Besonders Häuser mit einem Innenhof haben es den beiden angetan. Die Wohnqualität, die sich durch einen einsichtgeschützen Außenraum mitten im Haus ergibt, hat beide nachhaltig beeindruckt.

Autor und Fotos: Joshua Loher

Ein paar Jahre später, wieder zurück in Diepoldsau, beauftragte das Paar den befreundeten Architekten Thomas Nüesch, Mitinhaber von Hutter Nüesch Architekten in Berneck, mit der Planung ihres Wohnhauses. Sie wurden daraufhin von ihm nach ihren Wünschen und Vorstellungen befragt. Das Bauherrenpaar erinnerte sich an diesen eingeschoßigen Haustyp den sie in Asien kennengelernt hatten und erzählten dem Architekten davon. Dies in der Überzeugung, dass sich solches in der Schweiz wegen der hohen Bodenpreise sowieso nicht realisieren lasse. Im Weiteren wünschten sie sich ein Haus, das im Innern warm und gemütlich ist, aber aussen durchaus klar im Ausdruck sein darf. Ihr zukünftiges Heim sollte zudem Schutz vermitteln und einfach im Unterhalt sein.

Der Architekt und der Bauherr sind schon seit der Schulzeit befreundet. Das Bauen für Freunde kann durchaus Konfliktpotenzial bergen. Hier war dies jedoch glücklicherweise nicht der Fall. Die Bauherrschaft brachte die notwendige Portion Vertrauen mit und der Architekt wusste mit der damit einhergehenden Verantwortung umzugehen.

Das Wohnhaus Kuster mit seinen ungleichen Nachbarn.
Der Garten ist momentan vor allem auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet.

Bei der Präsentation der ersten Skizzen waren Nesida und Thomas Kuster hocherfreut, als sie ihre Vision eines Hofhauses umgesetzt sahen. Der Entwurf zeigte ein schlichtes, eingeschoßiges, wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht unterkellertes Ge­bäude, in dessen Mitte ein großer Innenhof angeordnet ist. Südseitig des Hofes befindet sich der große Ess-/Wohnraum mit Küche. Gegen Osten, zur Morgensonne hin, liegen die Schlafräume und im Norden haben die Architekten die Garage sowie Abstellräume angeordnet. Hinter der geschlossenen Westseite des Hofes sind schließlich die Technikräume untergebracht. Um den Hof herum verläuft auf der Innenseite eine Korridorzone, ähnlich einem klösterlichen Kreuzgang, die alle Räume erschließt. Der ganze Grundriss ist sehr funktional und präzise auf das Grundstück zugeschnitten.

Der Familienjüngste betritt den Hof durch einen der vielen Zugänge.
Die beiden Krieger bewachen den Innenhof.
Der reich bepflanzte Innenhof kann im Sommer mit einem Sonnensegel komplett verschattet werden.
„Mein Verhältnis zur Natur hat sich durch den Innenhof verändert.“

Nesida Kuster
Bauherrin

Außen präsentiert sich das Haus schlicht. Jedoch will das eigenwillige, blechverkleidete Holzhaus so gar nicht recht in das Einfamilienhausquartier passen. Dies sei Absicht. Den Architekten zufolge gab es nichts in der Umgebung, worauf man sich hätte beziehen können. Die provokante rohe Aluminiumfassade, die mit Schiebe- und Klappläden vollständig geschlossen werden kann, setzt sich deutlich von den verputzten Giebeldachhäusern der Umgebung ab. Die gedankliche Verbindung zu einem Baucontainer, den man vergessen hat mitzunehmen, drängt sich auf sympathische Weise auf.

Der ovale Esstisch wurde von den Architekten in Zusammenarbeit mit dem Tischler Heinz Baumann entwickelt.

Das Haus ist einfach und robust konstruriert. Als Tragwände wurden 57 mm starke, innen roh belassene Vollholzplatten aus Fichte verwendet, die außen gedämmt und mit Trapezblechen aus Aluminium verkleidet wurden. Das Dach besteht aus den gleichen, hier allerdings
146 mm starken Fichtenplatten. Sogar die Zimmertüren wurden aus solchen Platten angefertigt.

Die Küche aus schwarz eingefärbter mitteldichter Holzfaserplatte (MDF) ergibt einen starken Kontrast zum hellen Holz.
Der schlicht gehaltene Wohn- bereich ist mit edlen Vorhängen der Leinenweberei Chur ausgestattet.

Das Wohnhaus scheint auf den ersten Blick einfach. Doch beim genaueren Betrachten fallen einige Details auf, die von einer sorfältigen Planung zeugen. So ist beispielsweise der Innenhof um eine Stufe abgesenkt, um den Übertritt von drinnen und draussen bewusster zu gestalten. Als weiteres Beispiel sei die Beleuchtung erwähnt, die von den Architekten so geplant wurde, dass es in der Nacht nicht zu störenden Spiegelungen in den großen Hofverglasungen kommt. Die Familie Kuster ist glücklich in und mit ihrem Haus. Sie freuen sich an der intensiven Beziehnung zu Natur und Wetter, die sie durch den Innenhof jeden Tag erleben dürfen.

Der schattige Innenhof ist ein guter Ort für ungestörte Aktivitäten.

Dieses Haus zeigt eine Möglichkeit auf, wie man in einem dichten Wohnquartier mit einem einsichtgeschützten Außenraum eine zusätzliche Qualität schaffen kann. Das provokante Äußere tut der Wohnqualität im Inneren keinen Abbruch – im Gegenteil – dies schafft eine interessante Spannung. Eine Art zu bauen, die in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken anregt.

Daten & Fakten

Objekt Wohnhaus Kuster, Diepoldsau (CH)

Bauherren Nesida und Thomas Kuster

Architektur Hutter Nüesch Architekten, Berneck (CH), www.hn-architekten.ch

Statik Holzbau: Merz, Kley und Partner, Dornbirn www.mkp-ing.com
Stahlbeton: Bänziger & Partner, Widnau (CH) www.bp-ing.ch

Fachplanung Bauphysik: Studer & Strauss, St. Gallen; Elektro: Schmidheiny Engineering, Widnau

Planung 4/2011–3/2012

Ausführung 3/2012–8/2012

Grundstück 685 m²

Nutzfläche Wohnhaus 155 m² (zzgl. Innenhof 40 m²)

Bauweise Wandaufbau: unbehandeltes Fichten-Brettsperrholz; 22 cm Holzfaserdämmung, hinterlüftetes Aluminium-Trapezblech; Dachaufbau: unbehandeltes Fichten-Brettsperrholz, Dampfbremse, Steinwolldämmung 23 cm, zweilagige bituminöse Abdichtung, Kies 5 cm; Holz/Metallfenster, Dreifachverglasung; Böden: Calziumsulfat-Fließestrich

Ausführung Baumeister: Köppel-Vogel, Widnau; Holzbau und Fenster: Gautschi, St. Margrethen (CH); Heizung/Sanitär: Urs Spirig, Diepoldsau; Elektroinstallationen: Frei, Widnau; Anhydritboden: Dörig, Oberegg (CH); Einbauküche: Zomoform, Au SG (CH)