Die am Dornbirner Eschbühel stehende Wohnanlage „2226 Graf“
ist das erste Projekt dieser Art, das komplett ohne herkömmliche Heizung
und Kühlung auskommt. Sozusagen als „Sicherheitsnetz“ gibt es
per Knopfdruck zu aktivierende Infrarotpaneele, die über eine Solaranlage
am Dach mit Strom versorgt werden.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Darko Todorovic und René Dürr

Zentrale Anliegen von Elmar Graf, Hauptgesellschafter der Dornbirner Graf Immobilien GmbH, sind Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Sachen Baumaterialien genauso wie leistbares Wohnen. Faktoren, die unmittelbar miteinander zu tun haben, sind doch nicht zuletzt die Betriebskosten wesentliche Preistreiber bei Mietwohnungen, was wiederum unmittelbar mit den Kosten für Heizung und Kühlung zusammenhängt. „Jammern darüber reicht nicht“, sagt Graf, es gehe darum das technisch Mögliche auch möglich zu machen, auch wenn sich das in leicht erhöhten Baukosten niederschlägt.

Etwa beim Projekt „2226 Graf“ in Dornbirn, der ersten reinen Wohnanlage weit und breit, die komplett ohne herkömmliche Heizung bzw. Kühlung auskommt. Geplant von Baumschlager Eberle Architekten, die ihren Lustenauer Firmensitz schon vor Jahren sozusagen als „Versuchskaninchen“ als aus 76 Zentimeter dickem Ziegelmauerwerk gebauten, in einen glatten weißen Kalkputz gehüllten Würfel errichtet haben, dessen über Sensoren gesteuerte Lüftungsflügel ganzjährig für ein angenehmes Raumklima sorgen. Was den CO2-Gehalt genauso betrifft wie die Feuchtigkeit der Luft in den Innenräumen und die Raumtemperatur. Die im Winter nie unter 22 Grad absinkt bzw. im Sommer 26 Grad nicht überschreitet. Der durch das Lüften unvermeidbare Verlust an Wärme wird durch die Menschen, die hier leben oder arbeiten, genauso wie durch ihre Maschinen bzw. Lichtquellen ausgeglichen.

Zwischen ihm und Dietmar Eberle bestehe seit 20 Jahren ein Naheverhältnis, sagt Elmar Graf. Der weltweit umtriebige Architekturvisionär hat alle seine Firmengebäude geplant. Es habe immer funktioniert und so habe er großes Vertrauen, dass das 2226-Prinzip auch bei der kleinen Dornbirner Wohnanlage richtig sei. Noch dazu, da bei diesem – ähnlich wie bei dem ebenfalls von Baumschlager Eberle geplanten Gesundheitshaus in Lingenau – so etwas wie ein energetisches „Sicherheitsnetz“ in der Form von per Knopfdruck zu aktivierenden Infrarotpaneelen in jedem der Zimmer der acht knapp geschnittenen Drei-Zimmer-Wohnungen eingebaut sind. Den für ihren Betrieb ebenso wie die Aufbereitung des Warmwassers notwendigen Strom liefert die Solaranlage am Dach. Wobei hier das Spezielle ist, dass der zu viel produzierte Strom nicht – wie üblich – in das öffentliche Netz, sondern in eine riesige, im Keller liegende Batterie eingespeist wird, womit sich der energetische Kreis schließt. In jedem der Räume gibt es außerdem eine mit einer externen Firma verbundene „kontrollierende Sensorik“, so Projektleiter Jürgen Stoppel, mit der Möglichkeit einzugreifen, etwa wenn einer der Bewohner der Mietwohnungen in der kalten Jahreszeit verreisen würde, ohne seine Balkontüre zu schließen.

„Nur reden allein genügt nicht, man muss das technisch
Mögliche auch möglich machen,
selbst wenn das etwas mehr kostet.“

Elmar Graf
Bauherr

Die Wohnanlage „2226 Graf“ steht auf einem rund 1000 Quadratmeter großen, abfallenden Hang am Dornbirner Eschbühel. Angelegt als langer, sensibel zwischen großvolumige Mehrfamilien- und kleine Einfamilienhäuser eingebetteter, mit einer Tiefgarage unterkellerter Zweigeschoßer, der durch seine dem Gelände folgende leichte Staffelung fast wie eine kleine Reihenhausanlage anmutet. Je vier der identisch geschnittenen, 65 Quadratmeter großen Wohnungen werden durch ein Stiegenhaus erschlossen. Hangabwärts öffnen sich die Einheiten zu kleinen Terrassen bzw. Balkonen, die durch ihre fast quadratischen Grundrisse weit ausladend wie große, an die Westfassade gehängte Körbe daherkommen.

Als ideal isolierendes Baumaterial kamen 50 Zentimeter dicke Tonziegel zum Einsatz inklusive eines Außenputzes aus gebranntem Kalk, der mit den Jahren fast so hart wird wie Stein, so Stoppel. Womit der Baukörper zur energetisch effizienten Speichermasse wird, in die dreifach verglaste, innenbündig gesetzte Fenster bzw. Türen aus Lärche inklusive der schon erwähnten Lüftungsflügel geschnitten sind. Am Boden liegen Parkettböden, die Wände und Fenster sind weiß, die Küchen sind in allen Einheiten gleich, genauso wie die relativ großen, weiß bzw. grau verfliesten Bäder. Markante Brüstungen aus Schwarzstahl dominieren optisch die mit Platten aus Muschelkalk ausgelegten Stiegenhäuser.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Mehrfamilienhaus 2226 Graf, Dornbirn

Bauherr Graf Immobilien, Dornbirn

Architektur Baumschlager Eberle, Lustenau, www.baumschlager-eberle.com

Statik Mader Flatz ZT, Bregenz, Fachplanung Bauphysik: T.A.U., Lustenau; Elektro: EGD Installations, Dornbirn;

Planung 2018 – 2019

Ausführung 2019 – 2020

Grundstücksgröße 1108 m²

Nutzfläche 550 m² (zzgl. Keller 350 m²)

Bauweise Wände: Lochziegel mit Kalkputz; Decken aus Beton mit vorgespannten Elementdecken; Warmdach mit Photovoltaik; gesteuerte Holzfenster

Besonderheiten ohne Heizung, Lüftung, Kühlung

Ausführung Baumeister: Oberhauser&Schedler, Andelsbuch; Elektro: EGD, Dornbirn; Sanitär: Berchtold, Dornbirn; Verputz: Kratzer, Röthis; Dach: Wild, Hittisau; Fenster: Tiefenthaler, Ludesch; Schlosser: Felder, Andelsbuch; Estrich: Ebner, Lustenau; Fliesen: Fliesenpool, Götzis; Türen: Feuerstein, Nüziders

Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis: Titel, Seite 5 unten: René Dürr;
alle übrigen: Darko Todorovic