Logistische Meisterleistung
Ein wenig über Lochau blickt das traditionsreiche Jesuheim über die Dächer des
Dorfes und den See. Bei dem Gebäudekomplex handelt es sich um ein Pflegeheim,
das von den „Barmherzigen Schwestern Zams“ seit 1928 betrieben wird.
Die lange Ära ist bis heute geprägt von der Pflege hilfsbedürftiger Menschen durch den Orden und seine Mitarbeitenden.
Doch obwohl immer wieder Renovierungsarbeiten durch-
geführt wurden, machte der Zahn der Zeit auch vor dieser Institution nicht Halt.
Text: Klaus Feldkircher | Fotos: Roland Wehinger
aher wurde von den Verantwortlichen der Entschluss gefasst, das Pflegeheim von Oktober 2020 bis Ende 2023 in mehreren Etappen teilweise neu zu bauen und zu modernisieren. Die große Herausforderung dabei: Um- und Neubau sollten den laufenden Betrieb möglichst wenig beeinträchtigen und die Bewohner(innen) nicht aus ihrem gewohnten Alltag reißen. Die Lösung: Vom Architektenteam Hermann Kaufmann + Partner wurde eine Modulbauweise in Holz angedacht, die die Wohnraumflexibilität in allen Bauphasen ermöglichte. In der Folge wurde von den Planern ein Konzept entwickelt, das den finanziellen und logistischen Vorgaben gerecht werden sollte. Zusammen mit der Kaufmann Zimmerei in Reuthe wurden fertige, flexibel einsetzbare Module entwickelt, die nach der ersten Bauphase abgebaut und im neuen Rohbau wieder eingebaut werden konnten.
Aufbau Behelfsgebäude
Im ersten Schritt wurden in der Zimmerei 44 solcher Boxen gefertigt. Davon wurden 36 als Pflegezimmer inkl. barrierefreier Nasszelle konzipiert, acht dienten als Sondermodule wie Küche, WC, Lager u. a. Nach ihrer Fertigstellung wurden diese Module nach Ostern 2021 nach Lochau transportiert, wo sie vor dem Jesuheim seeseitig zu einem Gebäudekomplex zusammengesetzt wurden. Zuvor erfolgte eine Kiesschüttung und die Errichtung von Punktfundamenten. Die Außenwände waren bereits fix ab Werk an den Boxen montiert, innen waren die Zimmer der Bewohner(innen) auf Grund der Modulbauweise durch zwei Wände getrennt. „Für den Schallschutz immens wichtig“, meint Projektleiter Stefan Hiebeler. Nach dem Zusammenbau der Module zu einem zweistöckigen Gebäude komplettierten Stiegenhäuser, Verbindungselemente, Stromanschlüsse, Heizung, Wasser und Abwasser ein provisorisches Ersatzgebäude. Obwohl der Modulbau keine neue Erfindung ist, bot diese Form des Bauens doch ein Novum: In der ersten Phase wurden 36 Bewohner(innen) für zwei Jahre vom alten „Haus Pfänder“ in das „Provisorium“ übersiedelt. Dann folgten Abriss und der anschließende Neubau von „Haus Pfänder“. In dieser zweiten Phase wurden die Küche im Zwischentrakt und die ersten beiden Geschoße des Neubaus fertiggestellt, damit die Heimbewohner(innen) möglichst rasch wieder zurückgesiedelt werden konnten. Anschließend wurden die Module aus dem Provisorium im zweiten und dritten Obergeschoß von „Haus Pfänder“ reinstalliert.
„Für die Lösung im Jesuheim kamen für uns nur Holzmodule in Frage.“
Stefan Hiebeler
Architekt
Neubau des Zwischentraktes
Zeitlich war diese zweite Phase die längste: Während die Bewohner(innen) im provisorischen Ersatzgebäude ihr neues Zuhause gefunden haben, wurde das alte „Haus Pfänder“ mit seinen 54 Zimmern abgerissen. Im Zuge dessen wurden der Mitteltrakt mit Fest- und Speisesaal, Café, Küche und dem Durchgang zum Altbau erneuert. Den Anfang machte die Küche, als Übergangslösung wurde dieser Bereich ins nahe gelegene Salvatorkolleg ausgelagert, von wo die Speisen ins Jesuheim transportiert wurden, um in einer Übergabeküche für die endgültige Ausgabe vorbereitet zu werden. Nach wenigen Wochen waren diese Räumlichkeiten im Mitteltrakt neu gestaltet, sodass die Bewohner(innen) wieder vor Ort im Jesuheim bekocht werden konnten. Der Neubau von „Haus Pfänder“ wurde im Erdgeschoß und im ersten Stock in konventioneller Bauweise errichtet. Im zweiten und dritten Stock kamen die fertigen Holzmodule zum Einsatz. Nach Fertigstellung dieses Teils fanden 72 Personen ein neues Zuhause.
Umsiedelung, die Zweite
Im Mai 2023 war das „Haus Pfänder“ so weit fertig, dass die Bewohner(innen) innerhalb zweier Jahre ein zweites Mal umsiedeln durften, dieses Mal vom Provisorium ins Erdgeschoß und das erste Obergeschoß von „Haus Pfänder“. Die bisherigen Zimmer im Ersatzbau wurden komplett leergeräumt. Im Bett liegend, im Rollstuhl oder in Begleitung übersiedelten alle ins neue Domizil, wo ident eingerichtete Zimmer bezogen wurden. Auch alle Einrichtungsgegenstände der beiden Pflegestützpunkte mit Kleinküche und Aufenthaltsbereich wurden im Zuge dessen umgesiedelt. Da das neue „Haus Pfänder“ auf den Keller des alten Gebäudes aufgesetzt wurde, hat der Neubau dieselbe Grundfläche wie das alte Haus. Ein Lift sorgt für Barrierefreiheit, außerdem sind die vier Stockwerke über drei Brandschutz-stiegenhäuser verbunden. In einer weiteren Bauetappe soll zukünftig der 1928 errichtete und 1948 erweiterte Altbau saniert werden.
Daten & Fakten
Objekt: Pflegeheim Jesuheim, Lochau
Bauherr: Soziale Einrichtungen der Barmherzigen Schwestern Zams Betriebs GmbH, Zams
Architektur: HK Architekten, Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik: Massivbau: Mader & Flatz Ziviltechniker GmbH, Bregenz, www.mfs-zt.at; Holzbau bzw. Modulbau: Merz Kley Partner, Dornbirn, info@mkp-ing.com
Fachplanung: HLS: Koller & Partner Ges.m.b.H., Bregenz; Bauphysik: WSS – Wärme und Schallschutztechnik Schwarz, Frastanz; Elektro: Elektroplanung Norbert Steiner, Nüziders; Brandschutz: K&M Brandschutztechnik GmbH, Lochau; Küchenplanung: Maschinen und Kochgeräte Service und Handels-GMBH, Ladis
Planung: 01/2018–05/2023
Ausführung: 10/2020–12/2023 oder 01/2024
Grundstück: 14.803,2 m²
Nutzfläche: Neubau 4960 m²; Umbau Altbau 833 m² (zzgl. Keller m²)
Bauweise: Ersatzbau: Holzmodulbauweise, Haus Pfänder: UG Bestand, EG und OG 1 Mischbauweise, OG 2 und OG 3 Holzmodulbauweise, Zwischentrakt: Massivbau
Baukosten: ca. 25 Mio. Euro