Anlässlich des Jubiläumsjahres „Feldkirch 800“ haben
Marte.Marte Architekten und Gohm Hiessberger Architekten
das historische Palais Liechtenstein
zu einem temporären Museumsbau umgestaltet.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Alexander Ess, Ulf Hiessberger

Temporäre Nutzungen sind in der Baukultur eigentlich die Regel. Temporär, vorübergehend, beschreibt, wie sich unterschiedliche Nutzungen in eine baulichen Struktur oder die Struktur einer Stadt einschreiben können. Diese Nutzungen sind manchmal kurzfristig, manchmal wohlbedacht und lang vorab geplant. In jedem Fall bedeuten sie ein Annehmen von Bestand. Stadt – das ist Veränderung, Entwicklung, Gestaltung auf allen Ebenen.

Für das große Festjahr „Feldkirch 800“ haben sich Stadt Feldkirch und Programmverantwortliche nach einem solchen Bestand umgesehen und im Palais Liechtenstein einen Ort und gleichsam ein Gebäude gefunden, das in vielerlei Hinsicht prädestiniert ist (und auch immer war) für kulturelle Nutzungen. Hier ist nach wie vor eine wunderbare Bibliothek untergebracht, es gab im Haus Archive, die Räume wurden für Ausstellungen und für Präsentationen von Kulturvereinen genutzt.

Gute Voraussetzungen für einen temporären Museumsbau. Das Palais Liechtenstein liegt gut, ist gut erreichbar, hat räumliche Qualität und ist Veränderungen gewohnt.
Von weithin sichtbar ist das Rufzeichen für das Palais ein Ausdruck städtischen Selbstbewusstseins und funktional eine Aussichtsplattform.

Mit der neuen Nutzung, die zunächst den Auszug vieler anderer bedeutete, machte die Stadt Feldkirch eine wichtige Aussage. Das Palais vermittelt das Selbstbewusstsein der Stadt, ihre Identifikation mit der Geschiche als Humanistenstadt, als Ort des Adels und eines bürgerlichen Standesbewusstseins. All das vermittelt der stolze Bau, der an einer der Eingangspassagen in die Altstadt von Feldkirch, bereits gut an den Verkehr angeschlossen, das Potenzial hatte, ein Haus zur Vermittlung der Stadtgschichte von Feldkirch im Jubiläumsjahr zu sein. Mit Marte.Marte Architekten und Gohm Hiessberger Architekten gab die Stadt den Auftrag zur maßvollen baulichen Umgestaltung an zwei eingesessene Feldkircher Architekturbüros, die sich auch sonst für die Entwicklung der Stadt engagieren, durch eigene Präsenz und durch kulturelles Engagement. Von außen ist prominent ein Ausrufezeichen zu sehen. Eine minimale, doch auch radikale Intervention. Ein sichtbares, aber nicht aufdringliches, schmales „!“. Es soll der Stadt und seinen Besucher(inne)n jene Aufmerksamkeit vermitteln, die sie sich selbst als Stadtbewohner(innen) wert sein sollen. Ein poetisches und konstruktives Symbol, das Lust machen soll, genauer hinzuschauen. Besucher(innen) der Ausstellung können dieses Symbol noch in einer zweiten Funktion kennenlernen, nämlich als schmalen Ausstieg, als bauliche Minimalintervention mit maximaler Wirkung. Hier öffnet sich der Blick weit über die Dächer von Feldkirch, aus einer Perspektive, die sonst kaum einsichtig ist. Ein Fest für alle, die Feldkirch lieben und auch für diejenigen, die es noch kennenlernen wollen, denn hier schweift der Blick über die gewachsene und verwachsene Dächerlandschaft, gibt (moderaten) Einblick in das Feldkirch von heute, seine Umformungen, die Art, wie hier heute gewohnt und gelebt wird.

„Die Umgestaltung des Palais Liechtenstein ist Ausdruck
städtischen Selbstbewusstseins.“

Gabor Mödlagl
Stadtbauamt Feldkirch

Mit der Neubespielung konnte auch der Dachboden stabilisiert werden.
Veduten, wirklichkeitsgetreue Darstellungen von Stadt und Landschaft, zeigen, wie sich Feldkirch verändert hat.

Im Inneren wurde ebenso maßvoll renoviert. Es wurde belassen, was noch gut war. Erneuert, was erneuert werden musste. So findet sich im Haus – sympathisch unversteckt – manch kleiner Kunstgriff, wodurch größere Eingriffe verhindert werden konnten. Besucher(innen) sammeln sich vor und nach ihrem Rundgang durch die Stadtgeschichte in einem kleinen Café, der Empfangsraum ist mit dem Vermittlungsraum und mit der Garderobe angenehm kompakt und gut einsichtig verwoben. Ein Innenhof lädt zum Verweilen ein und bildet gleichzeitig die Sichtachse zur gegenüberliegenden Passage. Das Haus öffnet sich zur Stadt hin. Macht Durchblicke möglich. Baulich und gedanklich.

Die Humanistenbibliothek in der Ausstellung „Von Hugo bis dato“. Sorgsam inszenierte Geistesgeschichte.

Die Rundgänge durch die Ausstellung sind auch räumliche Rundgänge, die um den Innenhof führen. Raum an Raum gliedern sich Stadtgeschichten, die sich zeitlich und thematisch ineinander verweben. Ein Highlight ist eine gusseiserne Treppe und auch der Dachboden, der im Zuge der Neunutzung stabilisiert werden konnte und dessen Potenzial für die Zukunft gut erkannt wurde.

Die Zusammenarbeit von vielen, mit den Kuratoren Hans Gruber und Bruno Winkler, mit Szenograf Martin Caldonazzi, die Architektur von Marte.Marte und Gohm Hiessberger, das gute Management des Stadtbauamtes, gekonnte handwerkliche Griffe des städtisches Bauhofs mit Schreinermeister Gopp, all das hat zu einer glücklichen temporären Aneignung eines prominenten Gebäudes geführt, dessen Geschichte weitergeschrieben werden will. Bis September 2019 wird die Ausstellung nun verlängert. Was danach in diesen Räumen geschehen wird, hat hoffentlich eine ebenso gute Wirkung auf die Stadt.

Der Rundgang durch die Ausstellung ist gleichsam Rundgang im Haus um einen Innenhof.
Gutes Team. Zusammenarbeit von Vielen mit Programmverantwortlichen und Gestalter(inne)n.

Daten & Fakten

Objekt Palais Liechtenstein, Feldkirch

Eigentümerin Stadt Feldkirch

Architektur Marte.Marte Architekten, Feldkirch, www.marte-marte.com;
Gohm Hiessberger Architekten, Feldkirch, www.gohmhiessberger.com

Statik Schatzmann + Ebenhoch, Feldkirch, www.sch-e.at

Fachplanung Kuratoren: Rath & Winkler, Innsbruck und Hans Gruber, Feldkirch; Szenografie: Martin Caldonazzi, Frastanz; Elektro: Stadtwerke Feldkirch; Licht: Conceptlicht, Innsbruck; Akustik: Schwarz, Frastanz; Medien: Punkt 3, Klaus; Koordination: Kurt Gau, Feldkirch

Ausführungszeit 3/2017–3/2018

Ausführung Elektro: Stadtwerke Feldkirch; Fassadensanierung: Fetz, Alberschwende; Sandstein: Joe Hehle, Bregenz; Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär: Markus Stolz, Feldkirch; Baumeister und Verputz: Hilti & Jehle, Feldkirch; Zimmermann: Lot Holzbau, Feldkirch; Stahlbau M+S Metalltechnik, Röthis und V-Met, Sulz; Bodenrestauration: Helge Bartsch, Immenstadt/Allgäu und Anton Kräutler, Koblach; Türen: Sternath, Hard; Dach: Ess, Feldkirch; Spengler: Ganath, Feldkirch; Fliesen: Rudolf Gort, Frastanz; Böden: Harald Tammer, Feldkirch-Tosters; Drehelemente: Marte Holzbau, Rankweil; Trockenbau TMF, Hohenems; Maler: Keckeis; Sulz; Vitrinen/Theke/Regale: Städtischer Bauhof; Glas: Martin Lorenz, Feldkirch; Möbel: Höttges, Dornbirn

Baukosten 1,56 Mill. Euro