Das Haus der Schaffarei in Feldkirch hatte Glück. Es stand nicht unter Denkmalschutz, die Arbeiterkammer als Bauherrin aber wollte es behutsam generalsanieren und zu einem Ort für die Reflexion und Zukuft der Arbeitskultur machen. Johannes Kaufmann Architektur konnte das Äußere, Stiege, Kastenfenster im Original erhalten. Moderne Seminarräume, Gastronomie und ein Klub im Keller machen die Schaffarei zum vielseitigen, offenen Haus für Austausch, Weiterbildung und Unterhaltung.

Text Isabella Marboe · Fotos Cornelia Hefel

Die Schafferei in Feldkirch ist Baujahr 1914 und hat eine bewegte Geschichte. Zuerst war sie Waisenhaus, ab 1923 Schülerheim, im Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich Gefängnis und Lazarett, ab 1947 hauswirtschaftliche Berufsschule. 1977 begann mit der offenen Jugendarbeit die wilde Ära von „Graf Hugo“, die längst Legende ist. Viele Konzerte im Keller waren Kult. Die Schaffarei liegt am Fuß des Ardetzenbergs in der Widnau, der Bahnhof ist zehn Gehminuten, das Zentrum nur einen Steinwurf entfernt. 2006 kaufte die Arbeiterkammer (AK) Vorarlberg das Haus, dessen Rückseite direkt an deren Neubau anschließt. „Das war eine wichtige Entscheidung“, sagt Andreas Lampert, Direktor der AK Vorarlberg. „Wir konnten hier einen Ort für Weiterbildung, Begegnung, Austausch, Veranstaltungen und einen Campus für digitale Weiterbildung schaffen.“

Das solide gemauerte, vierstöckige Haus hat einen Sockel aus Rustikagestein, eine schön gegliederte Putzfassade, alte Fenster mit hölzernen Läden und ein steiles Dach mit Gaupen. Es stand nicht unter Denkmalschutz, hatte hohen Sanierungsbedarf und Glück mit seiner Bauherrin: Die AK wollte sie erhalten, lobte ein Bieterverfahren aus und beauftragte das richtige Büro. JK&P Architekten hatten die Größe, auf AK-Wunsch gute Projektideen des zweitplatzierten Gernot Thurnher zu integieren. Von all dem profitiert der Bestand. „Wir behandelten das Haus sehr respektvoll, um möglichst viel der alten Substanz zu bewahren“, sagt Projektleiter Dark Schick von JK&P. „Sie überdauerte mehr als 100 Jahre, die Materialität ist sehr hochwertig.“ Die Schaffarei hat einen quadratischen Grundriss von knapp 14 mal 14 Metern. Entlang der Fenster reihte sich ein Zimmer an das andere, der gefangene Raum in der Mitte diente der Erschließung. Man betritt sie in einem kleinen Portikus am Eck. Sein Vordach wird von zwei Säulen getragen, drei Stiegen führen hinauf. Ein stolzes Entrée, rechts davon die Hauptstiege, behindertengerecht war es nicht.

„Wir behandelten das Haus sehr respektvoll, um möglichst viel von der alten Substanz zu bewahren. Es hat mehr als 100 Jahre überstanden, die Materialität ist sehr hochwertig.“

Dark Schick
Architekt

Im Erdgeschoß zog das neue Lokal „Hunger und Durst“ ein, wo man auch abends noch essen kann, gekocht wird „kreativ und ehrlich.“ Das Natursteinmauerwerk wurde sandgestrahlt und mit Zement verfestigt, die Fenster im Südosten hat man bis zum Boden: sie führen nun auf die Terrasse. Designer und Künstler Daniel Bühel gestaltete das Haus mit stilsicher ausgesuchten Vintagemöbeln, viele aus den 1950ern und auch von der AK Niederösterreich erworben. Plakate aus „Graf Hugo“-Zeiten pflastern die Wände der Stiege in ein Kellergewölbe, das immer noch Charisma hat. Ein Himmel voller Diskokugeln und abgesessene, tiefe Lederfauteuils bringen Flair in den Klub.

Es gelang JK&P, das Äußere im Originalzustand zu erhalten, die Fenster sehen aus wie immer, ihre Innenflügel aber haben Isolierglasscheiben. Die neuen Ziegel am Dach wirken wie die alte Biberschwanzdeckung. Bis auf die Handläufe, die heute höher sein müssen als zur Bauzeit, ist auch das Stiegenhaus original. „Innen war der Lift ein Thema, nutzerseitig war große Transparenz gewünscht“, sagt Schick. Ersterer kam gleich zum Stiegenpodest, alle Sanitärräume sind im kleinen Zubau gebündelt, daher ist es sehr leicht, sich zu orientieren. Der vormalige Verteilerraum ist nun ein schöner Empfang mit kleinen Sitzgruppen am Fenster. In elegante holzvertäfelte Kastenwände sind Stauraum, Kopierer und kleine Teeküchen integriert. Hier und unter den abgehängten Decken führte man auch Installationen, Haustechnik, Leitungs- und Lüftungsrohre. Die technische Ausstattung ist so gut, dass sie auch den Digital Campus Vorarlberg spielend versorgt.

Eine Zwischenwand weniger schafft im Südosten einen Seminarraum über die gesamte Länge mit vier Fenstern, auf jeder Stirnseite zwei. Wunderbar hell, an die 25 Lernwillige haben gut Platz. Außerdem gibt es Seminarräume und Büros. Die Querschnitte der alten Holzbalkendecken waren sehr klein, man hörte jeden Schritt. Sie wurden seitlich verstärkt und mit Kies beschwert. Das verringert Schwingung und Körperschall. Nun kann man in Ruhe arbeiten. Parkettböden, weiße Wände, die Möblierung der 1950er und weiße, abgehängte Decken schaffen lichte Räume mit guter Akustik. Längst ist die Schaffarei mit Seminaren, Events, sowie dem Lokal „Hunger und Durst“ ein lebendiger Ort und Szenetreff. „Das Haus ist ein architektonisches Juwel!“, schwärmt Lampert. „Die Schaffarei hat sich zu einem überregionalen Anziehungspunkt entwickelt.“ Nun gibt es die Schaffarei vier Jahre lang und sie ist aus der Stadt nicht mehr weg zu denken.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at

Schaffarei, Feldkirch

Bauherr: Arbeiterkammer Vorarlberg
Architektur: Johannes Kaufmann und Partner, Dornbirn, www.jkundp.at
Statik: Mader Flatz Baustatik ZT GmbH
Planung: 2019–03/2021
Ausführung: 02/2020–10/2021
Grundstück: 767 m²; Nutzfläche: ca. 770 m²
Energiekennwert: 69,2 kWh/m² im Jahr (HWB)
Kosten: ca. 3.500.000 Euro
Fachplanung: Bauphysik: DI Günter Meusburger GmbH; Brandschutz: IHW-Ingenieurbüro Huber GmbH; Infrastruktur: Ingenieurbüro Landa GmbH Planung Elektro: Elektroplanung Schneider Ludwig